Arzneimittel-Versorgung: Experten fordern mehr Zusammenarbeit auf EU-Ebene
"AOK im Dialog" digital im Rahmen der Deutschen EU-Ratspräsidentschaft vom 26. November 2020

(26.11.20) Für eine sichere Versorgung mit Arzneimitteln sind mehr Transparenz über die gesamte Länge der Lieferkette, die Produktion wichtiger Medikamente durch mehrere Anbieter, mehr Qualitätssicherung und bessere Zusammenarbeit auf EU-Ebene nötig. Dafür haben sich gestern Abend die Teilnehmer der Veranstaltung "AOK im digitalen Dialog" zur "Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln als gesamteuropäische Herausforderung" ausgesprochen. Dabei begrüßte der stellvertretende Geschäftsführer der EU-Arzneimittelagentur EMA, Noël Wathion, die zur Bewältigung der Corona-Pandemie geplanten Kompetenzerweiterungen für seine Behörde. Das erleichtere es der EMA, künftig gemeinsam mit den Einzelstaaten den Bedarf an wichtigen Medikamenten zu ermitteln und zu planen.
Die Vorschläge von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für mehr Versorgungssicherheit fließen nach Angaben von Lars Nickel vom Bundesgesundheitsministerium im Dezember in die Schlussfolgerungen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ein. Die Regierung setze sich neben mehr Markttransparenz dafür ein, insbesondere bei Antibiotika und anderen wichtigen Medikamenten die Monopolstellung einzelner Unternehmen zu durchbrechen. Es gehe zudem darum, Anreize für Herstellung und Produktion strategisch wichtiger Medikamente in Europa zu bieten, so Nickel.

Die AOK ist nach Darstellung von Bundesverbandschef Martin Litsch bestrebt, die Versorgungssicherheit über die Kriterien bei der Vergabe von Arzneimittelverträgen zu verbessern. Es gehe dabei um Transparenz, bessere Bevorratung, Qualitätssicherung sowie Umwelt- und Sozialstandards. "Wir gestalten das bereits aktiv, aber Kernziel bleibt es, EU-Lösungen zu bekommen", betonte Litsch.
Die grüne Europaabgeordnete Jutta Paulus warnte mit Blick auf das von der Bundesregierung geplante Lieferketten-Gesetz vor nationalen Alleingängen. Sie plädierte für eine gemeinsame Lösung, die EU-Verbraucherschutz-Kommissar Didier Reynders für 2021 angekündigt habe. Paulus forderte zudem, in die gesetzlichen Vorgaben zur "guten Herstellungspraxis" für Arzneimittel die gesamte Produktionskette einzubeziehen.
In Österreich müssen Pharmafirmen seit April Lieferengpässe bei rezeptpflichtigen Medikamenten an eine staatliche Datenbank melden. Ab 2021 sollen Ärzte auf diese Datenbank zugreifen können, um Patienten Alternativen verschreiben zu können, berichtete Christa Wirthumer-Hoche von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit.

Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln stärken
Das AOK-Positionspapier als PDF zum Download
Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln – eine gesamteuropäische Herausforderung
"AOK im Dialog digital" - Das Programm im Überblick

Panel 1: Frühwarnsysteme und Transparenz der Lieferketten
Wie gut ist die Transparenz über auftauchende Lieferschwierigkeiten und Qualitätsprobleme? Was hat Deutschland, was hat Österreich bereits getan, um mehr Übersicht zu gewinnen und schneller zu reagieren? Sind weitere Schritte notwendig? Wo stoßen nationale Regelungen an Grenzen?
- Thomas Müller, Bundesministerium für Gesundheit
- Dr. Christa Wirthumer-Hoche, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit
- Martin Litsch, AOK-Bundesverband
Vortrag: Wie mit Lieferengpässen umgehen? Ergebnisse aus einer Studie über die Maßnahmen in 24 Ländern.
Wie viele Länder haben verpflichtende Melderegister? Wer setzt auf Dialog mit der Industrie, wer auf Sanktionen? Wie ist es um die Reserven bestellt?
- Dr. Sabine Vogler, Gesundheit Österreich GmbH
Panel 2: Kooperation und Koordination in der EU
Welchen Beitrag für mehr Arzneimittelsicherheit können die EU Kommission, die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) leisten? Welche Maßnahmen sollten kurzfristig ergriffen werden, welche mittel- und langfristig?
- Jutta Paulus, Europäisches Parlament, Fraktion Die Grünen/EFA
- Noël Wathion, European Medicines Agency (EMA)
- Dr. Sabine Vogler, Gesundheit Österreich GmbH
Diskussionsrunde
Hinweis: Fragen aus dem Publikum, die während der Veranstaltung nicht mehr behandelt werden konnten, werden bis zum 11. Dezember an dieser Stelle schriftlich beantwortet.