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Auch in der Ampel: Rufe nach Nachbesserungen am GKV-Finanzgesetz

AOK im Dialog am 21.09.22

Foto - Das Podium (v.l.): Prof. Jürgen Wasem, Heike Behrens, Dr. Christian Geinitz, Dr. Carola Reimann, Prof. Andrew Ullmann, Tino Sorge

v.l.: Prof. Jürgen Wasem, Heike Behrens, Dr. Christian Geinitz,
Dr. Carola Reimann, Prof. Andrew Ullmann, Tino Sorge

(21.09.22) Zwei Tage vor der ersten Beratung am 23. September 2022 im Bundestag wird auch in Reihen der Ampelkoalition Kritik an den Plänen der Regierung zur Finanzstabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lauter. Im Zentrum stehen der unzureichende Bundeszuschuss für die Gesundheitskosten von Hartz-IV-Beziehern und das rabiate Abschmelzen der Kassen-Notpolster. Sie sei „selber erschrocken“, dass die Mindestreserve auf 0,2 Monatsausgaben gesenkt werden solle, sagte die SPD-Gesundheitsexpertin Heike Baehrens bei der Gesprächsrunde „AOK im Dialog“.

Das sei bei der volatilen Ausgabenlage im Gesundheitswesen „eine riesengroße Gefahr“, so Baehrens. In der Rentenversicherung betrage die Mindestrücklage 1,6 Monatsausgaben, obwohl deren Ausgaben planbarer seien. Auch die Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, sprach von einer „sehr riskanten Operation“. Als Folge könne schon eine Grippewelle Kassen in Nöte bringen. Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem verwies darauf, dass eine Reserve von 0,2 Monatsausgaben im internationalen Vergleich sehr wenig sei. Der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann wollte Änderungen am Gesetzentwurf nicht ausschließen.

Als „Grundstrickfehler“ kritisierte Baehrens, dass die Kosten für Arbeitslosengeld-II-Bezieher nicht gedeckt seien. „Da muss es möglich sein, dass doch ein größerer Anteil über den Bundeshaushalt mitabgesichert wird.“ Es gehe hier um „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuermitteln zu finanzieren ist“, monierte die SPD-Expertin. Unionsgesundheitsexperte Tino Sorge stimmte dem zu. Ullmann verwies auf das Arbeitsministerium. Dieses sei bei den ALG-II-Beiträgen in der Pflicht.

Die Ampel rechnet für 2023 mit einem GKV-Defizit von mindestens 17 Milliarden Euro. Allein elf bis zwölf Milliarden Euro der Lücke sollen die Versicherten und Arbeitgeber über höhere Zusatzbeiträge sowie den Griff in die Kassen-Reserven stopfen. Reimann kritisierte die Lastenverteilung als „nicht fair“. Steigende Energiepreise und Inflation belasteten die Bürger bereits stark. Die Politik dürfe das nicht aus dem Auge verlieren, so die AOK-Chefin.

Einig war sich die Runde, dass das Gesetzespaket die Löcher nur kurzfristig schließt. Eine Klinikstrukturreform sei überfällig, mahnte Reimann. Baehrens forderte, auch über eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze zu reden. Wasem regte an, die Beitragsgrundlage auf Arbeitgeberseite zu verbreitern. Bisher seien lohnintensive Firmen benachteiligt. Denkbar sei eine zweite Säule, früher als „Maschinensteuer“ diskutiert.