Hausarztmedizin der Zukunft
Berliner Gesundheitspreis 2004/05

AOK und Ärztekammer Berlin haben am 2. Mai 2005 die Preisträger des Berliner Gesundheitspreises ausgezeichnet. Die mit insgesamt 50.000 Euro dotierten Preise gingen an innovative Projekte zur hausärztlichen Versorgung, die sich in besonderer Weise für eine bessere Qualität der Patientenversorgung engagieren. Die zwölfköpfige Jury aus Politik, Wissenschaft und Praxis wählte die Gewinner aus insgesamt 46 Projekten aus. Neben Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt nahmen auch Sachsen-Anhalts Sozialminister Gerry Kley und die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel, an der Preisverleihung teil. "Sie repräsentieren die Hausarztmedizin der Zukunft", lobte Ulla Schmidt die Preisträger. "Ihr Beispiel zeigt, dass es immer noch Spaß machen kann, Arzt in Deutschland zu sein - und eine Hausarztpraxis auf dem Lande ist alles andere als eine verstaubte Angelegenheit."
Ministerin Schmidt nutzte die Preisverleihung in Berlin, um sich für eine stärkere Position der Hausärzte einzusetzen. "In einer Gesellschaft des längeren Lebens wird die hausärztliche Versorgung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Denn sie gibt Antwort auf die Frage, wie die Versorgung der steigenden Zahl älterer Menschen in Zukunft organisiert werden kann, wie mit den zunehmenden chronischen Erkrankungen umgegangen wird, wie Pflegebedürftigkeit möglichst lange hinausgeschoben werden kann, damit die Menschen in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können, so lange es geht", sagte Schmidt. Mit Blick auf die anstehende Reform der ärztlichen Vergütung betonte die Ministerin, sie werde keinen Schritt dulden, der die durch die Gesundheitsreform eingeleitete besondere hausärztliche Vergütung wieder einkassiere. Die Leistungen der Fachärzte und der Hausärzte seien zu unterschiedlich, als dass man sie einheitlich vergüten könne.
Mit dem Berliner Gesundheitspreis zum Thema "Hausarzt-Medizin der Zukunft - Wege zur innovativen Versorgungspraxis" wollten die Initiatoren dazu beitragen, die hausärztliche Versorgung in Deutschland angesichts großer gesellschaftlicher und ökonomischer Herausforderungen weiter zu entwickeln und stärken. Hausarztpraxen - hierzu zählen solche von Allgemeinmedizinern, praktischen Ärzten, Kinderärzten und hausärztlich tätigen Internisten- sind im deutschen Gesundheitswesen wesentliche Stützpfeiler der ambulanten Versorgung. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die hausärztliche Versorgung mit der Gesundheitsreform weiter aufgewertet.
Die Preisträger und ihre Projekte:
- 1. Preis: Gemeinschaftspraxis Kirchberg im Bayerischen Wald
- 2. Preis: Familienpraxis Nordertor, Verden
- 3. Preis: Hausarztpraxis Egidi/Schelp, Bremen
- Anerkennungspreis: Mannheimer Ärztenetz Qu@alinet
- Anerkennungspreis: Allgemeinmedizinische Praxis Poli Reil Gesundheitszentrum Halle
- Projekte, die in die engere Wahl gekommen sind
Die meisten Experten im Gesundheitswesen sind sich darin einig, dass die wohnortnahe hausärztliche und hausarztzentrierte Versorgung mit ihrer Koordinations- und Beratungsfunktion weiter an Bedeutung gewinnen wird. Schon heute betreuen die Allgemeinmediziner und hausärztlich tätigen Internisten einen Großteil der Bevölkerung und über 90 Prozent der älteren Menschen.
Doch sind Hausärzte, Hausarztpraxen und hausarztzentrierte Versorgungsangebote schon ausreichend auf die großen Herausforderungen der Zukunft gerüstet? Reicht ihre fachliche, soziale und ökonomische Kompetenz aus? Können sie sich im härter werdenden Wettbewerb mit Fachärzten und Krankenhäusern behaupten? Sind sie für die angetragene Lotsenfunktion ausreichend qualifiziert?
Die Hausarztpraxis sieht sich vor dem Hintergrund des demographischen, medizinischen und sozialen Wandels gefordert, wenn sie ihre Bedeutung und ihre besondere Kompetenz auch in der Zukunft behalten und ausbauen will. Im Zuge des demographischen Wandels wird die Bevölkerung nicht nur immer älter, sondern das Krankheitspanorama entwickelt sich zu einem Vorherrschen von chronischen Erkrankungen, von denen im Alter häufig mehrere nebeneinander bestehen. Gleichzeitig ist das medizinische und pflegerische Versorgungssystem mit seiner Angebotsvielfalt - insbesondere für den Laien - immer unüberschaubarer geworden. Dazu trägt auch das ständige, fortschrittsbedingte Hinzukommen neuer diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten bei. Der Beratungsbedarf der Patienten wächst entsprechend.
- Bewertungskriterien
- Beim Wettbewerb um den Berliner Gesundheitspreis 2004 für Hausärzte rangierten Art und Originalität der Inhalte der Bewerbungen in ihrer Bedeutung eindeutig vor formaler Professionalität und dem Umfang. Die Beurteilung der eingereichten Arbeiten orientierte sich allgemein an folgenden Bewertungskriterien:
- Die Beschreibung der speziellen Innovationen und Besonderheiten in der hausärztlichen Praxis ist verständlich und aussagekräftig.
- Die beschriebenen Verfahren und Praxismodelle basieren auf alltagspraktischer Erprobung oder stehen kurz vor ihrer Umsetzung.
- Die vorgestellten Praxismodelle und Methoden sind breit einsetzbar und niedrigschwellig in der hausärztlichen Versorgungspraxis umsetzbar.
- Die beschriebenen Maßnahmen haben ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis und eine realistische Finanzierungsperspektive.
- Eine verbesserte medizinische Versorgungsqualität der Patientenzufriedenheit infolge der Praxisinnovationen kann belegt werden.
- Rein technische Innovationen (EDV, Telekommunikation, medizinische Geräte etc.) erhalten a priori keine hohe Bewertung
- Wer konnte sich bewerben?
Mit dem Wettbewerb um den Berliner Gesundheitspreis 2004 haben sich die Ausrichter an hausärztliche Einzel- und Gruppenpraxen (Allgemeinmediziner, Kinderärzte, hausärztlich tätige Internisten) sowie projektbezogene oder dauerhafte Verbünde und Netzwerke solcher Praxen gewandt.
Zur Teilnahme aufgerufen waren insbesondere hausärztliche Praxen oder ihre Verbünde, die- eine kontinuierliche und systematische Qualitätsverbesserung ihrer Arbeit anstreben,
- das Thema Patientensicherheit im Auge haben,
- sich wirksam und stetig fortbilden,
- sich der Versorgung chronisch Kranker verpflichtet fühlen,
- in der Erwachsenenmedizin besondere Kompetenz in der Versorgung geriatrischer Patienten haben,
- um die Umsetzung evidenzbasierter und strukturierter medizinischer Leitlinien unter Berücksichtigung der spezifischen Versorgungsanforderungen in der Hausarztpraxis bemüht sind,
- ihre Arbeit in gezielter Kooperation und Koordination mit anderen Versorgungseinrichtungen und Gsundheitsberufen tun,
- eine auf Nachhaltigkeit gerichtete Patientenführung und Monitoring erreicht haben,
- den Aspekten der Prävention, Gesundheitsförderung und Rehabilitation Rechnung tragen,
- um eine wirtschaftliche Behandlungs- und Verordnungsweise bemüht sind,
- bewusst einen Team-Ansatz für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfolgen,
- ein kreatives, innovatives und leistungsfähiges Praxismanagement haben,
- problemgruppenbezogene Angebote vorhalten (z.B. Schmerzsprechstunde),
- die Patientenorientierung auch mit Durchführung von Schulungen oder Self-Managementprogrammen zum Ausdruck bringen.
- Mitglieder der Jury
- Prof. Dr. Vittoria Braun
niedergelassene Allgemeinmedizinerin mit Lehrauftrag an der Berliner Charité - Dr. Hans-Georg Faust, MdB
Mitglied des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung - Prof. Dr. Gisela Fischer
Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen - Dr. Leonard Hansen
Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein - Dr. Günther Jonitz
Präsident der Ärztekammer Berlin - Klaus Kirschner, MdB
Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung - Klaus Koch
freier Wissenschaftsjournalist - Helga Kühn-Mengel, MdB
Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten - Wolfgang Metschurat
Vorsitzender des Verwaltungsrates der AOK Berlin - Gert Nachtigal
Vorsitzender des Verwaltungsrates des AOK-Bundesverbandes - Fritz Schösser
alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates des AOK-Bundesverbandes - Ulrich Weigeldt
stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
- Prof. Dr. Vittoria Braun
Mit dem sozialen Wandel nehmen Pflege- und Betreuungsmöglichkeiten durch die Familie immer mehr ab, so dass für hilfs- und pflegebedürftige Menschen Versorgungsnetze oft neu geknüpft werden müssen. Vor dem Hintergrund dieser Gesamtsituation hat die wohnortnahe hausärztliche Versorgung mit ihrer Koordinations- und Beratungsfunktion eine herausragende Bedeutung. Mit dem Wettbwerb um den Berliner Gesundheitspreis 2004 haben die Intiatoren einen Rahmen geschaffen, um die besondere Versorgungskompetenz und das Innovationspotenzial von Hausarztpraxen herausstellen zu können. Gefragt sind patientenorientierte, intelligente und neue Lösungen.