2. Preis: Familienpraxis Nordertor in Verden
Berliner Gesundheitspreis 2004/05
Wie können Kassenärzte mehr Zeit für ihre Patienten haben und gleichzeitig ihren Gewinn steigern? Qualitätsmanagement macht es möglich. Denn straffere Abläufe in der Praxis sparen Zeit und Kosten. Das sorgt für mehr Zufriedenheit bei Ärzten, Mitarbeitern und Patienten. Dr. Ralf-Rohde-Kampmann, Dr. Barbara Rohde und Hartmut Kehmann haben ihre Praxis in Verden umgekrempelt. Die Jury des Berliner Gesundheitspreises hat sie für ihr innovatives Engagement mit dem 2. Preis ausgezeichnet. Er ist mit 12.000 Euro dotiert.
Schwächen beseitigen, Stärken ausbauen
Ralf Rohde-Kampmann hatte einen Traum: Eine Hausarztpraxis aufzubauen, in der sich die Mitarbeiter wohl fühlen, in der die Ärzte Zeit für ihre Patienten haben und am Ende auch finanziell die Rechnung aufgeht. Nicht einmal seine Frau und Praxispartnerin Dr. Barbara Rohde hatte damals geglaubt, dass sich das alles unter einen Hut bringen lässt. Erst recht nicht Kollege Hartmut Kehmannn, der zehn Jahre Praxiserfahrung hatte.
Die Sache mit dem Qualitätsmanagement war ihnen suspekt. "Das roch doch nach Dokumentation, Bürokratie, nach noch mehr Aufwand", erzählt Ralf Rohde-Kampmann.
Der Jung-Mediziner hat nicht locker gelassen, hat ein Zusatzstudium in Qualitätsmanagement gemacht und jede Menge Ausbildungen durchlaufen. Doch die Kollegen blieben skeptisch. Rohde-Kampmann hat ihnen abgerungen, wenigstens ein kleines Praxis-Projekt zu starten. Der Erfolg hat sie überzeugt. Gemeinsam mit den Arzthelferinnen haben sich die drei Ärzte den Terminkalender vorgenommen. "Wir haben die Ideen der Mitarbeiterinnen berücksichtigt und gemeinsam ein gut funktionierendes System entwickelt", erklärt der Mediziner und Praxismanager.
Abläufe in der Arztpraxis wurden beschrieben und auf ihre Effizienz hin überprüft. Auch wurde die Terminvergabe auf die jeweiligen Patienten zugeschnitten und Pufferzeiten bei "schwierigeren" Patienten eingeplant.
Der Erfolg war messbar: "Vor dieser Änderung sind wir im Dunkeln gekommen und im Dunkeln gegangen und haben jede Menge Überstunden geschoben. Jetzt haben wir mehr Zeit für die Patienten und trotzdem früher Feierabend", sagt Rohde-Kampmann. Das hat die Kollegen beeindruckt, und die große Skepsis wich steigendem Interesse am Qualitätsmanagement. Endgültig überzeugt hat das Praxisteam aber erst ein Gutachter des Europäischen Praxisassessments – ein Qualitätsmanagementsystem, das von der Bertelsmann Stiftung unterstützt wird.
Der nahm die Praxis unter die Lupe "und hat uns unsere blinden Flecken aufgezeigt", erzählt Ralf Rohde-Kampmann. Zu wenig Lob für die Mitarbeiter, Notfallmedikamente, die an einem ungesicherten Platz aufbewahrt waren und vor allem: keine vernünftige Finanzplanung. "Da war uns klar: Wir müssen was tun." Mit ein bisschen mehr Lob und etwas mehr Sicherheit war es aber nicht getan. Wie sollten sie die Arztpraxis rentabel machen, wenn alle Zeichen auf Sparen standen?
Ein Gewinn für Praxis und Patienten. "Wenn man die Abläufe für die Patienten verbessert, löst sich dieses Problem fast automatisch", weiß Rohde-Kampmann heute. 5.000 Euro für Mitarbeiterschulungen haben die Ärzte investiert – und bekamen dafür eine satte Rendite. "Seither hat sich der Praxisgewinn um etwa 20.000 Euro erhöht." Aber auch die Patienten profitieren vom neuen System: "Wir investieren sehr viel Zeit ins Patientenempowerment und stellen uns dabei die Frage, was Patienten wissen müssen, damit sie besser mit ihrer Krankheit umgehen können. So lernen sie, die Situation besser einzuschätzen, werden zum Manager ihrer Krankheit, und wir können sie bei Problemen sehr zielgerichtet behandeln."
Überhaupt haben Dr. Ralf Rohde-Kampmann, Dr. Barbara Rohde und Hartmut Kehmann immer ein offenes Ohr für die Wünsche und Anregungen ihrer acht Mitarbeiterinnen und aller Patienten: "Unsere Praxis lebt davon, dass wir eine lernfähige und flexible Organisation geworden sind", sagt Ralf Rohde-Kampmann. Ihr Projekt haben sie als "kess" bezeichnet. Das steht für "Kooperation mit anderen Leistungserbringern", "engagierte Teamarbeit", "systematische Arbeitsweise" und "Sorgfalt". Der weite Weg von der patriarchalisch geführten zur preisgekrönten Praxis hat sich gelohnt. Auch wenn Ralf-Rohde-Kampmann gerne Einstein zitiert: "Es ist leichter, ein Atom zu spalten als das Verhalten eines Menschen zu ändern."
(Text: Cornelia Durst, G+G)
Ansprechpartner:
Dr. Ralf Rohde-Kampmann
Auf der Wurth 12, 27299 Langwedel
Tel.: 04235 - 94 23 20
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