
25 Jahre Berliner Gesundheitspreis
Gute Ideen für das Gesundheitssystem gibt es viele - sie müssen nur auf den Weg gebracht werden. Der Mensch ist unser Maß: Damit sind die Initiatoren des Berliner Gesundheitspreises angetreten, um das Gesundheitssystem im Sinne der Versicherten systematisch zu verbessern. Der vom AOK-Bundesverband und der Ärztekammer Berlin 1996 erstmals verliehene Innovationspreis gibt wegweisenden Projekten Rückenwind und zeigt: Die Akteure im Gesundheitswesen erkennen Probleme frühzeitig und wollen Gesundheitsversorgung besser machen und für die Patienten gestalten.
Der Blick auf die zurückliegenden 25 Jahre soll gleichzeitig ein Ausblick sein, welche Ideen wir für unser Gesundheitswesen noch entwickeln müssen.


Innovative Projekte aus der Praxis
Schon der erste Preis stand unter der Überschrift „Der Mensch ist unser Maß“. Der Berliner Gesundheitspreis legt den Finger in die Wunde, setzt Themen und stößt zukunftsweisende Entwicklungen an.
Impulse für eine bessere Versorgung
Der Berliner Gesundheitspreis setzt auf Innovationen, die aus der Praxis kommen. Seit 25 Jahren liefert er Antworten auf drängende Fragen der Gesundheitsversorgung und gibt politischen Entscheidern wichtige Impulse. Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, hat sich seit der ersten Auslobung des Berliner Gesundheitspreises durch alle Themen gezogen. Die vielen guten Ideen der Preisträger sollten nun allen Menschen zugutekommen.

Jens Spahn (CDU),
Bundesminister für Gesundheit seit 2018
„Wer gesund bleiben will, braucht gute, verständliche und verlässliche Informationen. Nur derjenige, der weiß, wann er zum Arzt gehen sollte, was gesundes Essen ist und wie viel Bewegung gut tut, wird in der Lage sein, Krankheiten, so gut es geht, zu vermeiden. Dieses Feld wollen wir nicht Dr. Google und Co. überlassen.“
(im Jahr 2019)

Hermann Gröhe (CDU),
Bundesminister für Gesundheit von 2013 bis 2018
„Wir brauchen Menschen mit guten Ideen und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, um unsere gute gesundheitliche Versorgung weiterhin zu erhalten und fortzuentwickeln. Umso mehr freut es mich, dass der Berliner Gesundheitspreis als bundesweiter Innovationswettbewerb zugleich Bestätigung und Antrieb für alle ist, die mit ihren Ideen und durch ihren persönlichen Einsatz hier helfen.“
(im Jahr 2017)

Daniel Bahr (FDP),
Bundesminister für Gesundheit von 2011 bis 2013
„Der Berliner Gesundheitspreis prämiert in diesem Jahr Projekte, die Lösungen für den Transfer des medizinischen Wissens in die Praxis erarbeitet haben. Das zeigt, dass gute Konzepte aus der Versorgungspraxis heraus entwickelt werden können.“
(im Jahr 2013)

Ulla Schmidt (SPD),
Bundesministerin für Gesundheit von 2001 bis 2009
„Der lang etablierte Berliner Gesundheitspreis fördert (...) innovative, praxiserprobte Konzepte. Sie sind eng verknüpft mit aktuellen Reformthemen (...) und werden von einer hochkarätigen Jury bewertet. Ich bin sicher, dass die Auszeichnung nicht nur vorbildliche Projekte fördert und als Ideenbörse für das Gesundheitswesen dient. Sie bietet auch einen wichtigen Anreiz, um gute Projekte zu pflegen und weiterzuführen.“
(2015 in der Festschrift „20 Jahre Berliner Gesundheitspreis)
Gesundheit braucht Ziele
Gesundheit ist ein entscheidender Teil unserer Lebensqualität. Sie wird leider oft ausschließlich mit dem Gesundheitswesen in Verbindung gebracht. Gesundheitsziele lenken den Fokus auch auf soziale Faktoren, die die Chancen der Menschen auf einen gesundheitsfördernden Lebensentwurf maßgeblich beeinflussen.
Der Berliner Gesundheitspreis 1998 sorgte dafür, dass Gesundheitsziele in Deutschland stärker zum Maßstab gemeinsamen Handelns in allen Politikfeldern wurden. Bisher wurden acht Nationale Gesundheitsziele vereinbart.
Drei Fragen an Prof. Rolf Rosenbrock

Prof. Rolf Rosenbrock
Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes
„Mehr Gesundheit ist immer möglich“, davon ist Prof. Rolf Rosenbrock überzeugt. Der Gesundheitswissenschaftler hat sich unter anderem als Angehöriger des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Public Health dafür eingesetzt, „Gesundheit für alle“ zu ermöglichen. Seit 2012 ist er Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes – Gesamtverband. 1998 hat Rolf Rosenbrock in der Jury des Berliner Gesundheitspreises an der Auswahl der Preisträger mitgewirkt.
- Der Berliner Gesundheitspreis hat bereits 1998 geschaut, wie es um Gesundheitsziele in Deutschland bestellt ist. Wo sehen Sie das Thema heute?
- Wie könnte mehr Schwung in die Umsetzung Nationaler Gesundheitsziele kommen?
- Was wäre aus Ihrer Sicht das dringlichste Anliegen, das die nächste Bundesregierung auf den Weg bringen müsste?
Gesundheit braucht Kompetenz
Gesund sein, gesund bleiben – das möchte jeder. Voraussetzung dafür sind gute verständliche Informationen. Nur wer gut Bescheid weiß, kann gesundheitsbewusst handeln. Der Schlüssel dazu heißt Gesundheitskompetenz.
Gesundheitskompetenz – was ist das?
Alle Menschen sollten einen guten Zugang zu Gesundheitsinformationen haben. Ansätze dafür haben Expertinnen und Experten 2018 in einem Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz gebündelt. Diese beinhalten unter anderem die Förderung von Gesundheitskompetenz in Lebenswelten, durch ein nutzerfreundliches und gesundheitskompetent gestaltetes Gesundheitssystem, bei chronischen Erkrankungen sowie Forschung auf diesem Gebiet.
Gut informierte Patienten sind im Vorteil
Patienten müssen Diagnose und Therapie verstehen, um gemeinsam mit dem Behandelnden Entscheidungen treffen zu können. Nur so können sie den Genesungsprozess aktiv mitgestalten. Auch die Behandelnden sind zufriedener, wenn die Therapie Erfolg hat.
Wie das gelingt, zeigen im nachfolgenden Slider zwei Beispiele, die mit dem Berliner Gesundheitspreis ausgezeichnet wurden.
Der Risikorechner „arriba“ – Teil 1

Prof. Dr. Norbert Donner-Banzhoff
Philipps-Universität Marburg
Patienten gehen in der Regel mit einem Problem zum Arzt, damit er ihnen hilft. Daraus ergibt sich ein gewisses Gefälle. Gleichzeitig haben die Menschen heute sehr viele Möglichkeiten, sich zu informieren. Viele tun das auch, sagen das aber nicht ihrem Arzt. Manche Ärzte haben das auch gar nicht gern. Wir Ärzte sollten souverän genug sein, um in einen Dialog mit den Patienten einzutreten. Wir müssen damit zurechtkommen, dass Patienten heute manchmal besser informiert sind als wir. Unsere Aufgabe ist es, die Informationen in einen sinnvollen Zusammenhang einzuordnen. Mit dem Risikorechner arriba kann der Patient mit dem Arzt gemeinsam entscheiden, welche Therapieempfehlungen er in seiner Lebensplanung berücksichtigen will. Zusätzlich sollten Ärzte ihre Patienten auf unabhängige, seriöse Informationsquellen hinweisen.
Der Risikorechner „arriba“ – Teil 2
Damit Ärzte und Patienten gemeinsam und auf Augenhöhe über die passende Therapie entscheiden können, hat ein Team um den Marburger Allgemeinmediziner Prof. Dr. Norbert Donner-Banzhoff die Entscheidungshilfe „arriba“ entwickelt. Das nützliche Tool, das 2008 mit dem Berliner Gesundheitspreis ausgezeichnet wurde, ist seitdem zu einem umfangreichen Werkzeugkoffer für die Hausarztpraxis ausgebaut worden und zählt heute zu den meistgenutzten medizinischen Entscheidungshilfen in deutscher Sprache. Und so funktioniert’s:

In einem ersten Schritt wird das individuelle Risiko des Patienten ermittelt, beispielsweise einen Schlaganfall zu erleiden.

Anschließend können Arzt und Patient prüfen, wie stark verschiedene Therapieoptionen das Risiko verringern würden.
Der Patientenbrief von „Was hab’ ich?“ – Teil 1

Ansgar Jonietz
„Was hab’ ich?“
Patienten brauchen gute, verständliche Kommunikation. Für Patientinnen und Patienten ist es schwierig, aus der Fülle der Gesundheitsinformationen die für sie relevanten auszuwählen. Gleichzeitig sind Befunde oder Entlassberichte, die ihren individuellen Gesundheitszustand betreffen, in Fachsprache verfasst. Das ist für die Kommunikation der Ärztinnen und Ärzte untereinander wichtig: Die Fachsprache vermittelt klar und knapp komplexe medizinische Informationen. Mit zusätzlichen, automatisiert erstellten Patientenbriefen können auch Patientinnen und Patienten verständliche, individuelle Informationen erhalten.
Der Patientenbrief von „Was hab’ ich?“ – Teil 2
Im Jahr 2011 begann „Was hab’ ich?“, eine gemeinnützige Initiative von jungen Medizinstudierenden und Ärzten damit, medizinische Befunde in laienverständliche Sprache zu übersetzen. Im Anschluss daran entwickelten die Gründer um Geschäftsführer Ansgar Jonietz eine Software, die für Kliniken komplett automatisiert individuelle, gut verständliche Patientenbriefe auf Basis strukturierter Daten erzeugt. Beim Berliner Gesundheitspreis 2019, der unter dem Motto „Gesundheit lässt sich lernen“ stand, landete das innovative Projekt auf dem Siegertreppchen. Für den ambulanten Bereich hat das „Was hab’ ich?“-Team inzwischen ebenfalls eine Patientenbrief-Lösung entwickelt. Diese Patientenbriefe dienen auch als individualisierte Entscheidungshilfe und ermöglichen den Patientinnen und Patienten eine aktive Beteiligung an Gesundheitsentscheidungen.

Arzt und Patient auf Augenhöhe
Was kann man tun, damit die Patienten besser verstehen, was passiert? Was muss das Gesundheitswesen dazu noch anbieten? Und was fehlt noch? Antworten haben Prof. Norbert Donner-Banzhoff und Ansgar Jonietz.
Mit steigendem Alter nehmen chronische Erkrankungen zu und oft wird damit auch das Leben zu Hause beschwerlicher. Menschen müssen in ihrem Wohnumfeld rechtzeitig unterstützt werden. Ebenso wichtig sind eine Aktivierung durch Teilhabe und eine zielgenaue gesundheitliche Versorgung, um den Pflegebedarf so weit wie möglich hinauszuschieben. Tritt der Pflegefall ein, werden die meisten Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause versorgt. Die pflegenden Angehörigen brauchen dann Entlastung und Unterstützung.

Dr. Burkhard John
AGR Senioren-Rehakomplex Schönebeck
Im hohen Alter zu Hause leben
Der Erfolg spricht für sich: Jahrelange Erfahrung und eine patientenorientierte Kombination rehabilitativer Maßnahmen ermöglichen seit nunmehr 21 Jahren die gezielte Betreuung älterer Menschen. Das Konzept des Ambulanten Geriatrischen Senioren-Rehakomplexes beinhaltet einen ganzheitlichen ambulanten Behandlungsansatz. Diese ambulante Form der komplexen geriatrischen Versorgung durch ein multiprofessionelles Team aus Ärzten und Therapeuten ist in Deutschland immer noch die Ausnahme, da gesetzliche Rahmenbedingungen fehlen. Die wohnortnahe Umsetzung des Grundsatzes „Reha vor Pflege“ muss an Bedeutung gewinnen.
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Gabriele Tammen-Parr
„Pflege in Not“
Auch Helfer brauchen Hilfe
Vor allem in der häuslichen Pflege ist das häufigste Problem die grenzenlose Überforderung, die durch die Dauer der Pflege und die Auswirkungen von Krankheiten wie Demenz entsteht. Die Beziehungen sind durch die Abhängigkeit und Rollenveränderungen ungeahnten Herausforderungen ausgesetzt. Daraus können Aggressionen erwachsen. Wir bieten Betroffenen einen Rahmen, um ihre Probleme anzusprechen. Wir hören zu, ohne zu werten oder gleich eine Lösung zu präsentieren. Im Gespräch versuchen wir, offen zu sein für das, was der pflegende Angehörige braucht. Viele sehnen sich verzweifelt nach einer stützenden Hand im Rücken – diese Unterstützung sieht aber für jeden anders aus. Selbst wenn die Pflege perfekt organisiert ist, reicht das manchmal nicht aus. Darum sollten zum Beispiel auch Pflegeberater ein offenes Ohr dafür haben, wie es den pflegenden Angehörigen mit der Pflegesituation eigentlich geht.
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Gesundheit braucht Vernetzung und Zusammenarbeit
Das Gesundheitswesen steht vor immer neuen Herausforderungen. Um sie zu bewältigen und die Patientinnen und Patienten bestmöglich zu versorgen, muss sich auch das Gesundheitssystem entsprechend aufstellen: gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umsetzen, Sektorengrenzen überwinden, interdisziplinär zusammenarbeiten, aus Fehlern lernen und nicht zuletzt für alle Menschen gleichermaßen verständlich und zugänglich sein.


Prof. Gerd Antes (links) und Prof. Ferdinand Gerlach (rechts) kennen das Gesundheitssystem in- und auswendig. Mit Moderator Ralf Breitgoff haben sie über bahnbrechende Einsichten, die Gefahr von Routinen und über offene Baustellen in der Gesundheitspolitik diskutiert.
Eine gute Versorgung setzt eine gute Qualität voraus. Das gilt in besonderem Maße für die Gesundheitsversorgung.
Damit das Gesundheitssystem diesen Anforderungen gerecht wird, brauchen wir...

Dr. Wolfgang Blank
Gemeinschaftspraxis im Bayerwald
...Koordination und Orientierungshilfe für die Patienten
Mein Ziel war und ist es, im strukturschwachen ländlichen Raum eine optimale Versorgung auf bestmöglicher fachlicher Grundlage, eine persönliche Langzeitbetreuung chronisch Kranker unter Berücksichtigung der individuellen Patientenerwartungen sowie umfassende Präventionsangebote in meinem Wirkungsbereich anzubieten. Das erfordert eine intensive Teamarbeit der beteiligten Professionen, die allen Beteiligten viel Freude macht. Aktuell arbeiten wir an der „Landarzt-Manufaktur“, einem Projekt, das junge und erfahrene Ärzte in einer virtuellen Gemeinschaftspraxis zusammenführt. So können mehrere Einzelpraxen Patienten vor Ort dezentral versorgen und sich trotzdem virtuell intensiv in Fallbesprechungen und Diskussionsrunden austauschen.
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Dr. Veit Wambach
Praxisnetz Nürnberg Nord
...gut vernetzte Angebote für eine optimale Versorgung
Seit der Preisverleihung 2000 sind wir gut vorangekommen. Anerkannte Praxisnetze, Besondere Versorgungsformen, Medizinische Versorgungszentren und vieles mehr zeigen den Wunsch vieler Leistungserbringer auf, sich noch stärker zu vernetzen. Eine ideale sektorenübergreifende Bedarfsplanung sollte nicht nur sektorenübergreifend, sondern auch regional ausgestaltet sein. So könnten vom Hausarzt koordinierte interdisziplinäre Teams die tatsächlichen Bedarfe der Patienten noch stärker in den Blick nehmen. Die Rahmenbedingungen fördern dies aber nach wie vor unzureichend. Würden die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet, dauerhaft einen nennenswerten Anteil ihres Haushalts in die sektorenübergreifende Versorgung zu investieren, wäre das ein bedeutender Schritt für unser Gesundheitswesen.
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Ein System ist stets nur so gut wie die Menschen, die es mit Leben füllen. Wichtige Bausteine für eine patientengerechte, gelingende Gesundheitsversorgung sind darum:
- ... genügend Personal,
- ...das gut ausgebildet ist,
- ...interdisziplinär zusammenarbeitet,
- ...sich dabei auf das aktuellste evidenzbasierte Wissen stützt
- ...und stets die Patientensicherheit im Blick behält
„Wenn die Ärzteschaft und die Krankenkassen zusammenwirken, kann dabei viel Gutes für die Menschen herauskommen. Das hat der Berliner Gesundheitspreis in seinen 25 Jahren eindrücklich gezeigt. Im Gesundheitswesen ergeben sich viele Herausforderungen. Daher brauchen wir auch zukünftig viele neue und gute Ideen, um Gesundheitsversorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten zu gestalten. Der Berliner Gesundheitspreis wird uns dazu weiterhin wichtige Impulse liefern.“
Dr. Peter Bobbert
Präsident der Ärztekammer Berlin


Martin Litsch
Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes
