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Deutscher Pflegetag 2022

Pflegerat fordert grundlegende Reformen – starke AOK-Präsenz

Foto:  Christine Vogler bei der Eröffnungsrede

Christine Vogler

10.10.22 (ams). Mit rund 2.000 Teilnehmenden bleibt der Deutsche Pflegetag auch 2022 Deutschlands führender Pflegekongress. Der Deutsche Pflegerat nutzte die Gelegenheit, mit Nachdruck auf die schwierige Situation in der Pflege aufmerksam zu machen und forderte grundlegende Reformen. „Die Mahnungen der letzten Jahre haben nicht dazu beigetragen, in der Politik mutige Lösungen voranzubringen“, sagte dessen Präsidentin, Christine Vogler, gleich zum Auftakt des zweitägigen Kongresses (6. und 7.Oktober) in Berlin. Neben besseren Arbeitsbedingungen brauche die Pflege mehr Befugnisse, eine stärkere Selbstverwaltung und bundeseinheitliche Bildungsstrukturen. Die AOK-Gemeinschaft als größte Pflegekasse in Deutschland hat den Pflegetag erneut durch Präsenz und ein umfassendes eigenes Veranstaltungsangebot mitgestaltet. Der AOK-Bundesverband ist Gründungspartner der Veranstaltung.

Pflegeratspräsidentin Vogler kritisierte in ihrer Eröffnungsrede das „Bildungschaos in der Pflege“, wo es an Absprachen zwischen den Bundesländern bei der Vereinheitlichung der Ausbildung fehle. Zudem herrsche ein Mangel an akademischen Lehrkräften, so dass auch in Zukunft nicht genug Personal geschult werden könne. „Wir haben noch nicht einmal ein Prozent der Pflegenden in Deutschland akademisch ausgebildet“, klagte Vogler. Hier bedürfe es der Nachsteuerung. Vogler übte auch Kritik am Gesetzentwurf zur Personalbemessung in der Pflege. Das geplante PPR-2.0-Gesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sei „völlig ungenügend“ und „im höchsten Maße enttäuschend“, kritisierte die Pflegerats-Chefin. Der Entwurf nehme wieder nur die Kosten im Gesundheitswesen in den Blick. Alle drei Ampel-Parteien seien gegen den Entwurf. „Dann fragt man sich natürlich, wenn alle drei gegen den Gesetzentwurf sind, wo kommt der eigentlich her?“

Reimann: Qualität der Pflege im Auge behalten

Foto - Auf dem Podium (v.l.): Christine Vogler, Dr. Carola Reimann, Mario Czaja

v.l.: Christine Vogler, Dr. Carola Reimann, Mario Czaja

Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, mahnte, bei der Pflege auch die Qualität im Auge zu behalten. „Wir würden uns häufig wünschen, dass wir noch mehr Qualitätsparameter haben, die man auch abprüfen und klarer benennen kann.“ Dies sei in der Pflege „leider noch ein echtes Manko“, bedauerte die Verbandschefin in einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde zum Thema „Zwischen Ethik und Monetik: Können wir Pflege und Profit miteinander versöhnen?". Als Krankenkasse habe man den gesetzlichen Auftrag, auf Kosten und Qualität in der Gesundheitsversorgung zu achten. Mit Carola Reimann auf dem Podium diskutierten neben Christine Vogler auch der aktuelle CDU-Generalsekretär und ehemalige Berliner Gesundheitssenator, Mario Czaja, sowie Prof. Andreas Lob-Hüdepohl von der katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin.

Pflegevorsorgefonds vorläufig aussetzen

Auch Reimann forderte grundlegende Strukturreformen im Gesundheitssystem und eine nachhaltige Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung (SPV). Der jetzt beschlossene erneute Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro ist aus Sicht des AOK-Bundesverbandes unzureichend. „Die SPV muss endlich nachhaltig finanziert werden, denn Pflegebedürftige und Pflegekräfte brauchen mehr Sicherheit“, betonte die Vorstandsvorsitzende bereits im Vorfeld der Veranstaltung. Durch die Bundesmittel könne die drohende Zahlungsunfähigkeit der SPV im laufenden Jahr zwar vermieden werden. Dazu passe es jedoch nicht, jedes Jahr 1,6 Milliarden Euro Beitragsmittel in den sogenannten Pflegevorsorgefonds umzuleiten.

Diskussion zu Herausforderungen in der häuslichen Pflege

Über Anforderungen und Unterstützungsmöglichkeiten in der häuslichen Pflege diskutierte die Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern, Dr. Irmgard Stippler, mit Katharina Jessel von der Union Krankenversicherung, Frank Schumann von der Fachstelle für pflegende Angehörige und Dr. Matthias von Schwanenflügel als Vertreter aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Unter dem Titel „Hat die Pflege zuhause noch Zukunft?" ging es um die Frage, wie Angehörigen geholfen werden kann, damit sie als viel zitierter „größter Pflegedienst Deutschlands" ihre bedeutende Arbeit leisten können. „Wir haben gelernt, das Augenmerk auf die Gesundheit der Angehörigen zu richten. Wir wollen sie stärken und begleiten", stellte Stippler heraus. Der erste Schritt sei immer eine umfassende Pflegeberatung, die individuell auf die Pflegesituation der Betroffenen eingeht. Auch Arbeitgeber seien hier gefragt.

Diskussion um neue Berufsbilder

Am Abschlusstag stand noch einmal Verbandschefin Carola Reimann „auf der Bühne“ und diskutierte unter anderen mit Dr. Bernadette Klapper, Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), zur Etablierung der „Community Health Nurse“. Für dieses neue Berufsbild, das als Vorhaben auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung aufgeführt ist, macht sich der DBfK stark. Für Klapper könne die Community Health Nurse – kurz CHN – eine wichtige Netzwerkfunktion einnehmen und eine bessere Versorgung vor allem für chronisch erkrankte und alte Menschen bringen. Reimann kann diesem Ansatz einiges abgewinnen. Die CHN könne eine Lotsin sein, insbesondere in sozial benachteiligten Regionen und Stadtquartieren. Den Vorschlägen von Minister Karl Lauterbach zu den Gesundheitskiosken, bei denen die gesetzliche Krankenversicherung zum übergroßen Teil allein für die Finanzierung aufkommen soll, erteilte Reimann in dieser Form aber auch auf dem Deutschen Pflegetag eine Absage.


Zum ams-Politik 10/22

Veranstaltungen der AOK auf dem Deutschen Pflegetag 2022

Zwischen Ethik und Monetik: Können wir Pflege und Profit miteinander versöhnen?

Mario Czaja, MdB und Generalsekretär CDU
Christine Vogler, Präsidentin Deutscher Pflegerat
Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende AOK-Bundesverband
Prof. Andreas Lob-Hüdepohl, katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin
Moderation: Sascha Hingst, ARD

Interprofessionalität oder Multiprofessionalität? Wie wird daraus ein Team?

Impuls von Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey, Charité Berlin, zur Frage:
Gesundheitsprofessionen auf Augenhöhe – wie kann es gelingen?

In der Diskussion mit:
Dr. Irmgard Landgraf, niedergelassene Fachärztin für Innere Medizin, Berlin
Elvira Haynes, Evangelisches Geriatriezentrum Berlin (EGZB)
Dr. Sabine Richard, AOK-Bundesverband
Moderation: N.N. (Moderator erkrankt)

Hat die Pflege zu Hause noch Zukunft? Was braucht sie und was ist sie uns wert?

Dr. Irmgard Stippler, Vorstandsvorsitzende AOK Bayern
Katharina Jessel, Union Krankenversicherung, München
Frank Schumann, Fachstelle für pflegende Angehörige, Berlin
Dr. Matthias von Schwanenflügel, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Moderation: Stefan Bernschein, MDR

Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege – was finden die Pflegenden am wichtigsten?

Katja Rosenthal-Schleicher, Evangelisches Klinikum Bethel
Simon Jäger,stellvertretender Pflegedirektor Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus Speyer
Prof. Katja Boguth, Professorin praktische Studienphase im Studiengang Pflege, Alice Salomon Hochschule Berlin
Dr. Jürgen Malzahn, Leiter Abteilung Stationäre Versorgung und Rehabilitation, AOK-Bundesverband
Moderation: Lisa Braun

CHN – erfolgreich auf die Straße bringen!

Impuls von Dr. Bernadette Klapper, DBfK-Bundesverband

Kordula Schulz-Asche, MdB, Grüne
Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende AOK-Bundesverband
Prof. Dr. Martin Burgi, LMU München
Moderation: Amelie Montigel, Robert Bosch Stiftung

Innovative Hilfsmittel in der Pflege. Erkenntnisse aus dem BMBF-geförderten Cluster Zukunft der Pflege

Indira Schmude-Basic, PPZ Nürnberg
Tobias Krick, Uni Bremen
Fabian Montigel, Uniklinikum Freiburg
Nadine-Michèle Szepan, AOK-Bundesverband
Moderation:Tobias Kley, Evangelisches Johannesstift, Berlin

Das AOK-Programm 2022

Das AOK-Programm 2022
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  • ... es zurzeit fast 4,9 Millionen Pflegebedürftige Menschen in Deutschland gibt.
  • ... davon über 4,6 Millionen Leistungen aus der Sozialen Pflegeversicherung beziehen.
  • ... cirka 50 Prozent davon AOK-versichert sind.
  • ... die AOK-Gemeinschaft damit die größte Pflegekasse in Deutschland ist.
  • ... die AOK mahr als 1.250 Geschäftsstellen vor Ort hat.
  • ... die AOK bundesweit 700 hauptamtliche Pflegeberater beschäftigt.

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