AOK stellt beim Deutschen Pflegetag die Palliativ- und Intensivpflege in den Mittelpunkt

Foto: Pflegende Hände

(27.03.17) Wie kann man herausfinden, wie Menschen an ihrem Lebensende versorgt werden wollen – etwa, was im Fall einer lebensbedrohlichen Krise für sie getan werden soll? Wie lässt sich die Versorgung von langzeitbeatmeten Patienten verbessern? Solchen Fragen gingen AOK-Experten beim Deutschen Pflegetag vom 23. bis 25. März 2017 auf den Grund und stellten damit die Themen Hospiz- und Palliativversorgung sowie Intensivpflege in den Mittelpunkt. Weitere Schwerpunkte der AOK beim Kongress waren die Unterstützung pflegender Angehöriger sowie der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff. In einer Podiumsdiskussion setzten sich die Teilnehmer mit dem Thema "Herausforderung Schnittstelle zwischen Kranken- und Pflegeversicherung – Perspektiven der Pflege nach der Bundestagswahl 2017 aus politischer Sicht" auseinander. Die AOK ist Gründungspartner des Deutschen Pflegetages.

"Viele Menschen haben Angst vor Schmerzen und ungewollten Behandlungen am Lebensende", betonte Simone Burmann, Pflegereferentin im AOK-Bundesverband, zum Auftakt des Symposiums zum Thema "Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase – Theorie und Praxis". Das seit Dezember 2015 geltende Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland (HPG) sieht vor, dass vollstationäre Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung ihren Bewohnern eine Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase anbieten können. Dabei können sich Menschen am Lebensende über medizinische, pflegerische, psychosoziale und seelsorgerische Betreuungsmöglichkeiten sowie über Angebote der Sterbebegleitung beraten lassen. Die Kosten dafür tragen die Krankenkassen.

Selbstbestimmung am Lebensende stärken

Gerd Kukla vom GKV-Spitzenverband informierte über den Stand der Verhandlungen zur Rahmenvereinbarung, in der Näheres über Inhalte und Ausgestaltung der Leistung sowie Anforderungen an die Qualifikation der Berater festgelegt werden soll. Derzeit werde noch auf Bundesebene beraten, um wichtige Fragen zu klären. Kukla zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Beteiligten in dieser Woche auf einen Entwurf einigen und anschließend ein Stellungnahmeverfahren einleiten könnten. Frühestens im dritten Quartal diesen Jahres könne die Rahmenvereinbarung unter Dach und Fach sein. Ziel des Angebotes sei es, die Selbstbestimmung der Betroffenen am Lebensende zu stärken. "Die Gesprächsbegleitung muss freiwillig, neutral, individuell und verlässlich sein", erklärte Kukla. Wichtig sei auch, dass das Angebot in die Gesamtstruktur und konzeptionelle Ausrichtung der jeweiligen Einrichtung eingebunden sei. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes sollten die Berater über eine einschlägige Grundqualifikation, Berufserfahrung, kommunikative Fähigkeiten, Einfühlungsvermögen sowie eine spezifische Fortbildung verfügen. Welche Kompetenzen die Fachkräfte erwerben müssten, die die Gespräche führen, werde in der Rahmenvereinbarung noch festgelegt, führte Kukla aus.

"Es muss klar sein, was Betroffene wirklich wollen"

Foto: Pflegerin und Pflegebedürftige

Beispiele aus der Praxis stellte Kirsten Wolf vor, Leiterin des "Würdezentrum" in Frankfurt am Main. Ziel sei es, die Würde aller Beteiligten zu stärken und allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen. In dem Projekt „Behandlung im Voraus planen“ (BVP) werden seit 2015 Fachkräfte, zum Beispiel Sozialarbeiter oder Pflegekräfte, nach dem Konzept „beizeiten begleiten“ zu Gesprächsbegleitern qualifiziert. Sie sprechen mit Menschen darüber, was ihnen wichtig ist und wie sie in einer lebensbedrohlichen Situation versorgt werden möchten. "Es geht nicht darum, dass eine Patientenverfügung dabei herauskommt", machte Wolf deutlich, „aber es muss klar sein, was die Betroffenen wirklich wollen.“ Die beteiligten Pflegeeinrichtungen seien froh über die Unterstützung. „Eine Qualifizierung der Gesprächsbegleiter reicht nicht aus, es müssen alle am Pflegeprozess Beteiligten einbezogen werden, ein Strukturwandel auf allen Ebenen ist nötig“, erklärte Wolf.

Mit der Frage "Beatmete in der Langzeitpflege – wie kann die Versorgung transparent und qualitätsgesichert gestaltet werden?" befasste sich ein weiterer Vortragsblock unter Moderation von Christiane Lehmacher-Dubberke. Der Pflegereferentin im AOK-Bundesverband zufolge gibt es zwar keine verlässlichen Zahlen, aber Schätzungen zufolge müssten 15.000 bis 20.000 Patienten in Deutschland dauerhaft beatmet werden. "Ihre Zahl nimmt stetig zu; das bedeutet eine große Herausforderung für die Versorgung", sagte Lehmacher-Dubberke.

Versorgung besser steuern

Prof. Dr. Michael Ewers, Direktor des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Charité – Universitätsmedizin Berlin, stellte zwei Forschungsprojekte vor, in denen die Versorgung beatmeter Patienten untersucht werden. In dem vom AOK-Bundesverband geförderten Projekt "Versorgung invasiv beatmeter Patienten unter regionalen Gesichtspunkten" (VELA-Regio) untersuchten Wissenschaftler in den vier Regionen Schwerin, Berlin, Hof und Tübingen Wege langzeitbeatmeter Patienten durch das Versorgungssystem sowie die Qualität der Versorgung. "Es gibt keinen einheitlichen Weg durch das Versorgungssystem, sondern es herrscht eher ein Wirrwarr", nannte Ewers ein Ergebnis des Forschungsprojektes. Vieles sei vom Zufall abhängig. Patienten würden zu rasch und ungeplant aus dem Krankenhaus entlassen, es mangele an Wissen über regionale Angebote, an Kapazitäten in Spezialeinrichtungen, einer Steuerung der Versorgung und einer Abstimmung der Beteiligten. Die Selbstbestimmung der Patienten werde kaum berücksichtigt, Möglichkeiten der Rehabilitation oft nicht ausgeschöpft. Ewers forderte, die Versorgung der schwer kranken Patienten transparenter zu gestalten und besser zu steuern. Zudem müssten bedarfsgerecht abgestufte Versorgungsangebote entwickelt und die Patienten besser informiert werden.

Sicherheitsgefühl durch vertrauensvolle Bindungen zu Pflegenden

Ewers stellte auch die im Oktober 2016 abgeschlossene Studie "Sicherheit in der häuslichen Versorgung beatmeter Patienten", kurz SHAPE vor, die vom Bundesforschungsministerium gefördert wurde. "Die Patienten sind rund um die Uhr auf Technik angewiesen, ihre Wohnung gleicht häufig einer Intensivstation, durch ständig wechselnde Betreuer fühlen sich manche wie Fremde im eigenen Zuhause", beschrieb Ewers die besondere Situation der Patienten. Für die Studie wurden zu Hause betreute langzeitbeatmete Patienten befragt, was sie unter Sicherheit verstehen und wann sie sich sicher oder unsicher fühlen. Die Befragung ergab, dass aus ihrer Sicht ein Gefühl der Sicherheit durch enge, vertrauensvolle Beziehungen zu den Pflegenden entsteht. Die Patienten wünschen sich Beständigkeit im Pflegeteam und dass sie auch dann wahrgenommen werden, wenn ihnen schwerfällt, sich mitzuteilen. Sowohl die Patienten als auch die Angehörigen wünschen sich, von den Pflegenden angeleitet zu werden. Hilfreich sei es beispielsweise, Notfallsituationen durchzuspielen. "Die Pflegekräfte haben bei der häuslichen Versorgung von dauerbeatmeten Patienten eine hohe Verantwortung und müssen gut qualifiziert sein", resümierte Ewers.