Pflege ohne Gewalt

Webbanner: Aktion Gewaltfrei Pflegen

Gewalt in der Pflege ist nach wie vor ein Tabu. Aufklärung und Information helfen, diesem problematischen Verhalten vorzubeugen. Genau mit diesem Ziel hat die AOK gemeinsam mit Akteurinnen und Akteuren aus der Pflegebranche die Aktion „Gewaltfrei Pflegen“ ins Leben gerufen. In den nächsten Monaten wollen die Partnerorganisationen für das Thema sensibilisieren, aufklären, Hilfsangebote vorstellen und erfolgreiche Präventionsstrategien aufzeigen. Mit dabei sind Vertreterinnen und Vertreter der Berufsgenossenschaft, des Zentrums für Qualität in der Pflege, des Medizinischen Dienstes, der Wohlfahrts- und Pflegeverbände sowie Trägerinnen und Träger von Pflegeeinrichtungen. Gemeinsam soll eine sachliche Diskussion und ein konstruktiver, auf die Prävention fokussierender Umgang mit dem komplexen Thema in der Gesellschaft und der Fachöffentlichkeit vorangebracht werden.

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Gewalt hat viele Gesichter

Gewalt in der Pflege zeigt sich in verschiedenen Ausprägungen. Sie kann sowohl von pflegebedürftigen als auch von pflegenden Menschen ausgehen. Neben offensichtlichen Formen körperlicher Gewalt oder verbal aggressivem Verhalten fallen darunter ebenso die Missachtung der Intimsphäre, die finanzielle Ausbeutung oder Vernachlässigung. Auch Einschränkungen der Entscheidungs- oder Bewegungsfreiheit können problematischen oder sogar gewalttätigen Handlungen zugeordnet werden. 

Gewalterfahrungen in der Pflege sind keine Seltenheit. Eine exakte Angabe, wie viele Menschen in Deutschland, die gepflegt werden oder pflegen, Gewalt erleben, ist jedoch nicht möglich. Dies liegt unter anderem daran, dass es nur wenige Studien zum Thema gibt. Die Bedeutung des Themas wird aber durch Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstrichen. Die WHO  geht davon aus, dass jeder sechste ältere Mensch über 60 Jahre bereits Gewalt erfahren hat. Untersuchungen des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) zeigen, dass es sich bei kritischen Situationen in der Pflege nicht um Einzelfälle handelt. So gaben bei einer Studie des ZQP rund die Hälfte von 250 befragten Pflegedienstleitungen und Qualitätsbeauftragten an, dass Konflikte, Aggression und Gewalt in der Pflege die stationären Einrichtungen vor ganz besondere Herausforderungen stellen. Einem Survey der BGW und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zufolge haben knapp 80 Prozent der 1.984 befragten Beschäftigten der Pflege- und Betreuungsbranche in den vorausgegangenen zwölf Monaten Gewalt erlebt - davon 94 Prozent verbale und 70 Prozent körperliche Gewalt. Eine weitere Studie der BGW ergab, dass Pflege- und Betreuungspersonal oft von sexueller Belästigung und Gewalt betroffen sind.

Tabelle beschreibt Formen der Gewalt in der Pflege

Gründe für Konflikte sind vielfältig und individuell

Ursachen für Gewalt in der Pflege

Expertinnen und Experten zufolge sind Gründe, die zur Entstehung von problematischen beziehungsweise gewalttätigen Situationen führen, vielfältig und individuell verschieden. In der Forschung ist eine Reihe von sich gegenseitig bedingenden Faktoren bekannt, die das Risiko für das Auftreten von Gewalt in Pflegezusammenhängen erhöhen. Diese Faktoren können zum einen auf Seiten des Pflegebedürftigen liegen. Dazu zählen ein hoher Grad an Pflegebedürftigkeit, kognitive oder psychiatrische Störungen sowie ausgeprägte Unruhe oder Aggressivität, wie sie häufig bei demenziell erkrankten Menschen vorkommen. Aber auch auf Seiten der pflegenden Angehörigen oder professionell Pflegenden gibt es Umstände, die kritische Situationen begünstigen. Hierzu gehören beispielsweise Überlastung, vor allem bei der herausfordernden Pflege von Menschen mit Demenz, eine schlechte gesundheitliche Verfassung oder Suchterkrankungen. Daneben gelten problematische zwischenmenschliche Beziehungen oder ein fehlendes Netzwerk als Risikofaktoren für eine gewalttätige Eskalation. Schließlich können auch persönliche Einstellungen zu Gewalt und zum Alter sowie soziale und ökonomische Bedingungen, unter denen Pflege stattfindet, eine Ursache sein.

Mehr Bewusstsein hilft, Schweigen zu brechen

34 Prozent der Befragten sehen Handlungsbedarf bei Gewalt in der Pflege

Eine der Grundvoraussetzungen, um kritischen Situationen in der Pflege wirksam vorbeugen zu können, besteht in der Enttabuisierung des Phänomens. Hierzu gehört eine gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung. Es geht darum, mehr Bewusstsein für Hintergründe und Ursachen zu schaffen, wie es zu problematischem Verhalten kommen kann. Nicht minder wichtig ist es, auch die Fachöffentlichkeit aufzuklären und die Fachkräfte entsprechend zu qualifizieren und zu schulen. Denn mehr Wissen um das Thema schafft Handlungssicherheit bei pflegerischem Fachpersonal und Pflegeberatungsstellen. Schließlich sorgt eine stärkere Vernetzung verschiedener Akteurinnen und Akteure, die an der Versorgung unterstützungsbedürftiger Menschen beteiligt sind, für die angemessene Aufmerksamkeit. Das hilft den Betroffenen, ihr Schweigen zu brechen.

Oft brauchen auch Helfende Hilfe

Menschen, die Gewalterfahrungen gemacht haben, zögern oft, über das Erlebte zu sprechen und Hilfe in Anspruch zu nehmen, ob aus Angst oder Scham. Niedrigschwellige Unterstützungsangebote sind deshalb von großer Bedeutung. Ob Beratungsstellen, die auch in problematischen Situationen Lösungsansätze bereithalten, oder Expertinnen und Experten von Nottelefonen, die viel Erfahrung mit konfliktreichen Situationen haben – die AOK und ihre Partnerorganisationen haben eine Liste mit Hilfsangeboten, Schulungen, Präventionsansätzen und Informationen zum Thema Gewalt in der Pflege zusammengestellt. 

Weitere Informationen zum Thema Gewalt in der Pflege und Hilfsangebote

Zuletzt aktualisiert: 03-01-2023