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Dossierstempel

Arzneimittel

Foto Apotheker sucht rezeptpflichtiges Medikament

Arzneimittel werden zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten eingesetzt. In Deutschland wird die Arzneimittelversorgung im Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt. Dort werden der Begriff Arzneimittel genauer definiert und allgemeine Anforderungen an Arzneimittel sowie deren Herstellung, Abgabe, Zulassung, Überwachung und Qualitätssicherung geregelt.

Die Arzneimittelkosten sind derzeit der drittgrößte Ausgabenblock der gesetzlichen Krankenkassen. 2021 gaben die Kassen laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) rund 46,7 Milliarden Euro für Arzneimittel aus. Das entspricht einem Plus von 7,8 Prozent je Versicherten gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Rx oder OTC? - Generikum oder Original?

Bis auf wenige Ausnahmen sind Arzneimittel hierzulande apothekenpflichtig, sie dürfen also nur von Apothekerinnen oder Apothekern abgegeben werden. Die Kategorie der apothekenpflichtigen Medikamente ist weiter unterteilt in verschreibungspflichtige (kurz: Rx) und nicht verschreibungspflichtige Medikamente (Over the Counter - OTC). Rx-Präparate müssen auf einem Rezept ärztlich verordnet werden, OTC-Medikamente dürfen ohne Rezept von einer Apothekerin oder einem Apotheker abgegeben werden. Welche Arzneimittel der Verschreibungspflicht unterliegen, entscheidet das BMG. Das Ministerium lässt sich in dieser Frage regelmäßig von einem Sachverständigenausschuss beraten. Der "Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht" ist beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angesiedelt.

Eine besondere Form der Rx-Präparate sind Betäubungsmittel (BtM). Dazu gehören unter anderem starke Schmerzmittel oder Medikamente zur Veränderung des Bewusstseinszustandes. Aufgrund der besonderen Gefahren und Risiken dieser Arzneimittel bedarf es bei BtM einer besonderen Verordnung.

In den ersten Jahren nach Markteintritt gilt für verschreibungspflichtige Medikamente ein Patentschutz. In dieser Zeit darf der jeweilige Hersteller sein Präparat exklusiv vermarkten. Läuft der Patentschutz eines Wirkstoffes aus, dürfen andere pharmazeutische Unternehmen dieses Originalpräparat "nachbauen". Solche Nachahmerpräparate werden Generika genannt.

Arzneimittel-Kompass

Der Arzneimittel-Kompass, 2021 erstmals erschienen und herausgegeben von der Pharmakologin Prof. Dr. Petra Thürmann, Vizepräsidentin der Universität Witten/Herdecke, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Fakultät Wirtschaft und Management der Technischen Universität Berlin sowie den Experten des Wissenschaftlichen Institutes der AOK (WIdO) Helmut Schröder, Carsten Telschow und Melanie Schröder, berichtet jährlich über aktuelle Entwicklungen im Arzneimittelmarkt. Der Arzneimittel-Kompass will zur Transparenz auf dem Arzneimittelmarkt und zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung beitragen. In einem jährlich wechselnden Schwerpunkt wird ein aktuelles und für die GKV relevantes Arzneimittelthema aus der Perspektive mehrerer Autorinnen und Autoren mit unterschiedlicher Expertise behandelt. Die erste Ausgabe widmet sich dem Thema "Hochpreisige Arzneimittel – Herausforderung und Perspektiven"

WIdO und AOK engagieren sich außerdem in der Arzneimittelberatung. Dazu gehört unter anderem die Unterstützung der sogenannten Priscus-Liste, die von Experten entwickelt wurde und aktuell 83 Wirkstoffe (Stand Juni 2021) enthält, die speziell für ältere Menschen problematisch sind. Hintergrund: Rund ein Viertel der über 65-Jährigen nimmt regelmäßig fünf oder mehr ärztlich verordnete Arzneimittel ein. Bei fast jedem fünften dieser Patienten befindet sich darunter ein Medikament, das für ältere Menschen als potenziell ungeeignet gilt. Das zeigen Untersuchungen des WIdO.

"PharMaAnalyst“: Arzneimittel im schnellen Überblick

Seit 2017 bietet das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) einen neuen Service. Der frei zugängliche "PharMaAnalyst" ermöglicht die passgenaue Auswertung aller Verordnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Damit stehen die 3.000 verordnungs- und umsatzstärksten Arzneimittel des des jeweils gewählten Jahres für individuelle Analysen zur Verfügung. Valide Aussagen über Mengen und Kosten von rund 95 Prozent aller Arzneimittel-Verordnungen für die etwa 73 Millionen GKV-Versicherten sind damit möglich. Die Website wird sukzessive aktualisiert und ergänzt.


Politische Stichworte des AOK-Radioservice

Herstellerabschlag

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Nutzenbewertung von Arzneimitteln

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Arzneimittel-Rabattverträge

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Positiv- / Negativliste

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Zuzahlungsfreie Arzneimittel

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Arzneimittelpreise

Die Preisbildung im OTC-Bereich ist frei. Die Hersteller können den Verkaufspreis selbst festlegen, der Apotheker kann ebenfalls selbst bestimmen, zu welchem Preis er freiverkäufliche Medikamente verkauft. OTC-Präparate werden in der Regel von den Patientinnen und Patienten selbst gezahlt. Allerdings gibt es eine Ausnahmeliste an OTC-Medikamenten, die von den gesetzlichen Krankenkassen für Versicherte ab 12 Jahren (Versicherte mit Entwicklungsstörungen ab 18 Jahren) erstattet werden. Dies ist dann der Fall, wenn das jeweilige OTC-Medikament für die genannten Indikationen in der Ausnahmeliste als Therapiestandard für einen schwerwiegenden Krankheitsverlauf gilt.

Auch bei verschreibungspflichtigen Medikamenten legt das pharmazeutische Unternehmen zuerst den Preis fest, den sogenannten Herstellerabgabepreis (HAP). Der Gesetzgeber regelt lediglich die Zuschläge, die Apotheken und Großhändler auf den Herstellerabgabepreis für die Abgabe jedes Arzneimittels erheben, sowie die Mehrwertsteuer. Bei Arzneimitteln kann aber der Preis durch regulatorische Eingriffe wie Festbeträge oder Erstattungsbetragsverhandlungen vom ursprünglichen Herstellerabgabepreis abweichen.
Mehr zum Thema Apotheken- und Großhandelsvergütung

Der Endpreis in der Apotheke, der sogenannte Apothekenverkaufspreis (AVP), setzt sich zusammen aus dem Herstellerabgabepreis (HAP), einem Großhandelszuschlag (höchstens 37,80 Euro) und einem Apothekenzuschlag. Zusätzlich wird die Mehrwertsteuer von 19 Prozent erhoben.

Arzneimittelkosten

In den vergangenen Jahren gehörten die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen zu den Kostenblöcken mit den höchsten Steigerungsraten. Um den Ausgabenanstieg zu drosseln, hat der Gesetzgeber verschiedene Sparpakete und Reformen erlassen, mit denen der Ausgabenanstieg gebremst werden soll.

Ein Überblick über die Sparinstrumente im Arzneimittelbereich der vergangenen Jahre:

Festbeträge

Mit dem Gesundheitsreformgesetz hat der Gesetzgeber 1989 erstmals Festbeträge für Arzneimittel eingeführt. Festbeträge sind Obergrenzen, bis zu denen die Krankenkassen ein verschriebenes Medikament bezahlen. Liegt der Apothekenverkaufspreis über dem Festbetrag, müssen die Patienten die Differenz tragen. Dies sind dann die sogenannten Mehrkosten. Durch Festbeträge können die Krankenkassen pro Jahr mehrere Milliarden Euro einsparen. Festbeträge werden nicht für einzelne Medikamente, sondern teils auch für Gruppen mit pharmakologisch-therapeutisch ähnlicher Wirkstoffe festgelegt. Für die gesamte Gruppe gilt dann ein Festbetrag. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) kann neue Festbetragsgruppen öffnen und Medikamente in solche Gruppen neu einordnen. Die Höhe des Festbetrages einer Gruppe bestimmt der GKV-Spitzenverband. Er passt den Festbetrag regelmäßig an die allgemeine Preisentwicklung an.

Pharmazeutische Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, den Krankenkassen für patentgeschützte Arzneimittel derzeit einen Rabatt auf den Herstellerabgabepreis zu gewähren. Der Abschlag war erstmals 2003 mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz eingeführt worden und gilt für alle patentgeschützten Medikamente, die keiner Festbetragsgruppe zugeordnet wurden. Im August 2010 war der Abschlag - befristet bis Ende 2013 - von sechs auf 16 Prozent erhöht worden und hat seitdem wesentlich zur positiven Ausgabenentwicklung im Arzneimittelbereich in den vergangenen Jahren beigetragen. Im Januar 2014 wurde der Herstellerabschlag mit dem 14. SGB-V-Änderungsgesetz auf sieben Prozent festgesetzt. Vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2023 wird er auf 12 Prozent angehoben. Für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel gilt ein Abschlag in Höhe von sechs Prozent plus ein Generikaabschlag in Höhe von 10 Prozent.

Nutzenbewertung von Arzneimitteln

Seit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) dürfen Hersteller von patentgeschützten Medikamenten nur noch im ersten Jahr nach Markteintritt den Preis ihres Wirkstoffes selbst bestimmen. Während dieses Zeitraumes durchläuft der Wirkstoff die sogenannte frühe Nutzenbewertung, bei der der Hersteller dem GBA Studien zum Zusatznutzen des Medikamentes vorliegt. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) prüft und bewertet diese Studien. Wenn der GBA anschließend einen Zusatznutzen feststellt, handeln der Hersteller und der GKV-Spitzenverband einen Preis aus. Kann keine Einigung erzielt werden, entscheidet eine Schiedsstelle. Beschließt der GBA, dass das Medikament keinen Zusatznutzen gegenüber der Vergleichstherapie hat, wird das Präparat einer Festbetragsgruppe zugeordnet. Wenn keine Festbetragsgruppe existiert, wird der Preis an die zweckmäßige Vergleichstherapie angeglichen.

Apotheken

Apothekenpflichtige Arzneimittel dürfen nur in Apotheken abgegeben werden. Apotheken müssen auf eine Apothekerin oder einen Apotheker zugelassen sein, der Fremdbesitz einer Apotheke ist in Deutschland untersagt. Eine Apothekerin oder ein Apotheker darf maximal eine Hauptapotheke und drei Filialapotheken besitzen.

Zum Jahresende 2022 gab es nach Angaben der ABDA insgesamt 18.068 Apotheken in Deutschland, 393 weniger als ein Jahr zuvor. Die Zahl der der selbständigen Apotheker oder selbständigen Apothekerinnen fiel um 363, im Jahr 2021 waren es noch 13.718. Die Apothekendichte liegt in Deutschland bei 22 Apotheken pro 100.000 Einwohner, der EU-Durchschnitt beträgt laut ABDA 32 Apotheken pro 100.000 Einwohner.

Apothekenvergütung

In der Arzneimittel-Preisverordnung (AmPreisV) ist das Honorar der Apothekerinnen oder Apotheker festgelegt. So erhalten die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten für die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Fixzuschlag von derzeit 8,35 Euro pro Packung. Hinzu kommt eine Marge von drei Prozent, die die Apothekerin oder der Apotheker ebenfalls pro abgegebener Packung erhält.

Von diesem Honorar muss die Apotheke den gesetzlichen Krankenkassen einen Abschlag gewähren. Der Apothekenabschlag liegt bei zwei Euro (Stand 2023) und ist vom Gesetzgeber in dieser Höhe festgelegt.

Die Apotheke erhält zusätzlich eine Notdienstgebühr: So kann der Pharmazeut oder die Pharmazeutin auf jeden Notdienst-Besuch eine Pauschale von 2,50 Euro aufschlagen. Wenn auf der ärztlichen Verordnung "Noctu" angekreuzt ist, kann der Patient oder die Patientin die Gebühr von seiner Krankenkasse einfordern. Im Normalfall tragen sie die Kosten jedoch selbst.

Seit August 2013 erhalten Apotheken zudem eine sogenannte Notdienstpauschale. Pro geleisteten Notdienst soll die Pharmazeutin oder der Pharmazeut einen pauschalen Betrag erhalten. Dies wurde mit dem Apothekennotdienst-Sicherstellungsgesetz (ANSG) etabliert. Dazu behalten die Rechenzentren der Apotheken einen Teil des Fixhonorars ein, den sie an einen Fonds weiterleiten. Aus diesem Fonds wird die Pauschale ausgeschüttet. Die Höhe der Pauschale richtet sich nach der Anzahl der geleisteten Notdienste.

Für die Herstellung von Arzneimitteln, also sogenannten Rezepturen oder Defekturen, erhalten die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten weitere pauschale Honorare. Auch für die Abgabe von Betäubungsmitteln (BtM) gibt es eine Extra-Vergütung.

Zusätzlich erhalten Apotheken Honorare für fünf weitere pharmazeutische Dienstleistungen:

  • Für eine erweiterte Medikationsberatung einmal jährlich, bei erheblichen Umstellungen der Medikation auch häufiger: 90 Euro.
  • Für eine spezifische Beratung von Organtransplantierten, die Immunsuppressiva bekommen: 90 Euro für die Erstberatung und 17,55 Euro für eine Folgeberatung im Abstand von zwei bis sechs Monaten.
  • Für eine Beratung bei der Einnahme oraler Krebsmedikamente: 90 Euro für das Erstgespräch, 17,55 Euro für eine Folgeberatung im Abstand von zwei bis sechs Monaten.
  • Für Blutdruckkontrollen bei Patienten mit Bluthochdruckt einmal alle 12 Monate, beziehungsweise bei Änderungen der Blutdruckmedikation: 11,20 Euro.
  • Für die Einweisung zur Anwendung inhalativer Medikamente für Asthmatiker nach der Neuverordnung eines Inhalationsgerätes oder bei einem Gerätewechsel: 20 Euro. Eine Wiederholung ist nach 12 Monaten möglich, sofern der Patient nicht anderweitig angeleitet wurde und, sofern er nicht zwischenzeitlich im DMP Asthma und COPD eingeschrieben ist.

Großhandel

Der pharmazeutische Großhandel beliefert Apotheken mit den Produkten der pharmazeutischen Unternehmen. In der Regel werden Apotheken mehrmals täglich vom Großhändler beliefert. Für den Betrieb eines Großhandelsunternehmens bedarf es einer behördlichen Erlaubnis. Auch Apotheken können sich bei den für sie zuständigen Behörden als Großhändler registrieren.

Großhandelsvergütung

Die Vergütung der Großhändler ist in der Arzneimittel-Preisverordnung geregelt. Der Zuschlag gilt nur für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel. Für den gesamten OTC-Bereich handeln Großhändler und Apotheken die Lieferkonditionen untereinander frei aus. Großhändler erhalten einen Fixzuschlag und einen prozentualen Anteil für ihre Dienstleistung. Das Fixhonorar beträgt 0,70 Cent pro ausgelieferter Packung, der prozentuale Anteil 3,15 Prozent des Herstellerabgabepreises (HAP). Dieser Großhandelszuschlag darf insgesamt höchstens 37,80 Euro betragen.

Zuletzt aktualisiert: 01-02-2023