Lesedauer: 6 Minuten
EU schafft Rahmen zur Gesundheitsversorgung für Geflüchtete aus der Ukraine
EU-Ticker

10.03.22 (ams). Die EU-Staaten gewähren Geflüchteten aus der Ukraine pauschal für ein Jahr einen sicheren Status. Sie müssen kein Asylverfahren durchlaufen und erhalten Zugang zu medizinischer Versorgung, Schulen und eine Arbeitserlaubnis. Auf Vorschlag der EU-Kommission reaktivierten die Innenminister der Union am 3. März einstimmig eine EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz von Kriegsflüchtlingen aus dem Jahr 2001. Sie ermöglicht den Betroffenen auch den Zugang zu staatlichen Sozialleistungen. Gemäß der Richtlinie kann die Schutzfrist zweimal um jeweils sechs Monate verlängert werden.
Die AOK-Gemeinschaft begrüßte die kurzfristig vereinbarten Rahmenbedingungen und versprach ihre Unterstützung für kurzfristige Lösungen zur Gesundheitsversorgung Geflüchteter zu. "Es ist wichtig, dass wir in dieser Situation solidarisch sind und den Menschen, die vor dem Krieg flüchten, unbürokratisch helfen", sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann. Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung sagte solidarisches Handeln der Krankassen zu.
In Deutschland werde die medizinische Absicherung der Geflüchteten aus der Ukraine vorrangig über die Kommunen laufen, erläuterte der AOK-Bundesverband. Im ersten Schritt hätten die Menschen grundsätzlich Leistungsansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Daneben gebe es noch die Möglichkeit, Leistungen der Krankenversicherung zu erhalten: "Voraussetzung dafür ist, dass das aufnehmende Bundesland und der für das Asylbewerberleistungsgesetz zuständige Träger (in der Regel die Kommune) eine Rahmenvereinbarung mit den Krankenkassen für die auftragsweise Betreuung dieser Personen geschlossen haben."
Wenn Geflüchtete aus der Ukraine ein Familienmitglied haben, das bereits in Deutschland lebt und regulär gesetzlich krankenversichert ist, kann nach Darstellung der AOK auch die Familienversicherung greifen. Ein Krankenversicherungsschutz könne aufgrund der für Ukraine-Geflüchtete vorgesehenen sofortigen Arbeitserlaubnis auch über eine Pflichtversicherung bei Aufnahme einer Beschäftigung entstehen.
"Menschen, die aus der Ukraine als Flüchtlinge nach Deutschland einreisen, erhalten hier ärztliche Versorgung in Arztpraxen oder Krankenhäusern", betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nach der Tagung der deutschen Gesundheitsministerkonferenz am 7. März. Das schließe auch die Testung auf und Impfungen gegen Covid-19 ein. Infizierte würden vor Ort angemessen untergebracht und versorgt.
EMA-Gutachten empfiehlt Einschränkung der Antibiotika-Verwendung
10.03.22 (ams). Die EU-Arzneimittelagentur (EMA) hat eine Liste mit Antibiotika und antimikrobiellen Mitteln zusammengestellt, die ausschließlich zur Behandlung von Infektionen bei Menschen eingesetzt werden sollten, da ihre Verwendung bei Tieren zur Entwicklung von Resistenzen beiträgt. Das am 1. März veröffentlichte Gutachten hatte die EU-Kommission in Auftrag gegeben. Es soll als Basis für Gespräche der Mitgliedsstaaten über die Begrenzung des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung dienen.
Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) begrüßte die EU-Initiative. "Damit es für schwer erkrankte Patientinnen und Patienten auch künftig noch Therapieoptionen gibt, müssen wir den teilweise sorglosen Einsatz von Antibiotika eindämmen", sagte der stellvertretende WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder.
"Allein in Deutschland werden in der Humanmedizin pro Jahr Antibiotikawirkstoffe im Umfang von etwa 350 Tonnen eingesetzt. In der Tiermedizin ist die Menge mit 700 Tonnen nahezu doppelt so hoch", erläuterte Schröder. Zwar schreibe das Arzneimittelgesetz seit 2014 vor, den Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung auf das therapeutisch unverzichtbare Mindestmaß zu reduzieren. Doch noch immer gelangten zu viele Antibiotikawirkstoffe durch tierische Ausscheidungen über Kläranlagen oder als Dünger ins Oberflächen- und Grundwasser.
"Wir laufen Gefahr, dass die einstige Wunderwaffe gegen Infektionskrankheiten stumpf wird", warnte der WIdO-Experte. Dazu trage auch ein zu sorgloser Einsatz sogenannter Reserveantibiotika bei: "2020 entfielen in der Humanmedizin in der ambulanten Versorgung 50 Prozent der Antibiotika-Verordnungen auf Mittel der Reserve. Selbst in der für den hohen Reserve-Antibiotika-Einsatz häufig kritisierten Hühnermast liegt dieser Anteil lediglich bei 40 Prozent." Zudem gebe es innerhalb der EU große Unterschiede beim Antibiotikaeinsatz. 2020 seien von Ärzten in Griechenland dreimal so viele Antibiotika pro 1.000 Einwohner verordnet worden wie in Österreich, dem EU-Land mit der niedrigsten Verschreibungsrate. Deutschland bewege sich im EU-Vergleich im unteren Drittel.
Von einem gemeinsamen Vorgehen der EU verspricht sich das WIdO auch Druck auf die Pharmaindustrie. Unter den knapp 450 neuen Wirkstoffen, die die Industrie in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland an den Start gebracht habe, seien nur elf neue Antibiotika gewesen, sagte Schröder. "Nationales Vorgehen alleine wird die Hersteller nicht dazu bewegen können, Forschung und Entwicklung antibiotischer Wirkstoffe zu forcieren." Hier könne die EU erfolgreich ihre Marktmacht einsetzen.
EU-Experten wollen Krebsfrüherkennung erweitern
10.03.22 (ams). Ein Expertenbeirat der EU-Kommission hat die Erweiterung der bestehenden Krebsfrüherkennung in der Union empfohlen. Neben einer Verbesserung der laufenden Programme für Brust-, Darm- und Gebärmutterhalskrebs sollten die Mitgliedstaaten auch Vorsorgeuntersuchungen für Lungen- und Prostatakrebs aufbauen, heißt es in einem am 2. März vorgestellten Gutachten. Die siebenköpfige Wissenschaftlergruppe berät die Kommission bei der Umsetzung des "Europäischen Plans zur Krebsbekämpfung". Das Gutachten soll laut EU-Kommission in die Aktualisierung der aus dem Jahr 2003 stammenden Ratsempfehlungen zur Krebsfrüherkennung einfließen.
Die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung (DSVE) mahnte in einem Statement zur Vorsicht bei der Ausweitung bevölkerungsbezogener Früherkennungsprogramme. So hätten Studien zur Früherkennung von Prostatakrebs durch PSA-Screening "ein ungünstiges Risiko-Nutzen-Verhältnis" ergeben. Ein Lungenkrebs-Screening sollte nach Ansicht der DSVE "wegen der Strahlenbelastung auf Hochrisikogruppen begrenzt werden". Bei der Aktualisierung der Ratsempfehlung müsse "neben Wirksamkeit und Kosten ein ausgewogenes Verhältnis zwischen patientenrelevantem Nutzen und Schaden" berücksichtigt werden. "Eine Ausweitung der Screening-Programme auf weitere Krebsarten erscheint nur bei genügend hoher Evidenz für deren Nutzen hinsichtlich Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit sowie einer ausgewogenen Nutzen-Schadens-Bilanz gerechtfertigt", heißt es in der DSVE-Stellungnahme.
Verhandlungen über einen internationalen Pandemievertrag
10.03.22 (ams). Der Europäische Rat hat die EU-Kommission Anfang März ermächtigt, für die 27 Mitgliedstaaten die Verhandlungen über einen internationalen Pandemievertrag und eine Erweiterung der internationalen Gesundheitsvorschriften zu führen. Die 194 Mitglieder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatten im Dezember 2021 beschlossen, ein Übereikommen, eine Vereinbarung oder ein anderes internationales Instrument auszuarbeiten und auszuhandeln, um die gemeinsame Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion zu verbessern.
"Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung globaler Bedrohungen für die menschliche Gesundheit ist", sagte der französische Gesundheitsminister Olivier Véran als amtierender Ratsvorsitzender. Die internationale Gemeinschaft müsse zusammenkommen, "um einen gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen und Therapeutika sowie den rechtzeitigen Austausch von Daten und Informationen zu gewährleisten und um die Zusammenhänge zwischen der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt anzugehen". Nach Angaben des Rates soll die am 24. Februar eingesetzte WHO-Arbeitsgruppe bis zur 76. Weltgesundheitsversammlung im Jahr 2023 einen "Fortschrittsbericht mit dem Ziel vorlegen, das Instrument bis 2024 zu verabschieden". Die nächste Sitzung des Gremiums findet am 1. August dieses Jahres statt.
Patientenrechterichtlinie: Kommission sieht Verbesserungspotenzial
10.03.22 (ams). Elf Jahre nach Verabschiedung der EU-Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (EU-Richtlinie 2011/24/EU vom 09.03.11) hat die EU-Kommission eine durchwachsene Zwischenbilanz gezogen. Die Richtlinie sei bisher für viele Patienten hinter den Erwartungen zurückgeblieben, heißt es in einer Stellungnahme der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG Santé) zu einer Ende Februar veröffentlichten Bestandsaufnahme. Die von der Kommission in Auftrag gegebene Expertise benennt die Schwachstellen und zeigt Verbesserungsmöglichkeiten auf.
Aktuell gebe es vor allem Hindernisse bei der praktischen Anwendung, so die DG Santé. So gebe es in vielen Ländern Probleme bei der Kooperation zwischen den Nationalen Kontaktstellen (NKS) und Patientenvereinigungen, Leistungsanbietern und Krankenversicherungen. Kritisch sieht die Kommission zudem, dass es in den meisten EU-Ländern Vorab-Genehmigungsverfahren für die Behandlung in einem anderen EU-Land gebe, obwohl die Richtlinie diese nicht vorgebe. Die Verfahren seien zudem national höchst unterschiedlich und für Patienten oft nicht verständlich. Um kurzfristig Verbesserungen zu erreichen, hat die Kommission auf ihrer Website eine "Toolbox" mit Handreichungen für die Beteiligten zusammengestellt.