Gesetz für einen fairen Kassenwettbewerb in der GKV

Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz – GKV-FKG

Mit dem Kabinettsentwurf  hat der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgelegte Entwurf für das "Gesetz für eine faire Kassenwahl in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)" einen neuen Namen bekommen. Die Änderung wurde notwendig, weil Spahn nach einhelligem Widerstand durch die Bundesländer sein Vorhaben aufgeben musste, alle  Krankenkassen generell bundesweit zu öffnen und die Kassenaufsicht beim Bundesversicherungsamt (BVA) in Bonn zu zentralisieren. Mit dem GKV-FKG verfolgt die Bundesregierung im Wesentlichen zwei Ziele: die Weiterentwicklung des Risikoausgleichs zwischen den Krankenkassen (morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich, kurz Morbi-RSA) und eine Reform der Organisationsstrukturen des GKV-Spitzenverbandes.

Die bisherige Begrenzung des Morbi-RSA auf 50 bis 80 Krankheiten wird aufgehoben. Stattdessen berücksichtigt künftig ein sogenanntes Vollmodell das gesamte Krankheitsspektrum. Der Morbi-RSA wird zudem um eine regionale Komponente erweitert. Das Bundesgesundheitsministerium erhofft sich dadurch den Abbau von Wettbewerbsverzerrungen. Zudem soll Marktkonzentrationsprozessen vorgebeugt werden, die sich nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des BVA in einigen Bundesländern abzeichneten. Angebotsorientierte Faktoren wie Arztdichte und Krankenhausbettenzahl sollen allerdings nicht in den Ausgleich einbezogen werden.

Beratungsfolge

  • Referentenentwurf: 25. März 2019
  • Fachanhörung: 6. Mai 2019
  • Verabschiedung Kabinettsentwurf: 9. Oktober 2019
  • 1. Durchgang Bundesrat: 29. November 2019
  • 1. Lesung Bundestag: 12. Dezember 2019
  • Anhörung im Bundestag: 18. Dezember 2019
  • 2./3. Lesung Bundestag: 13.Februar 2020
  • 2. Durchgang Bundesrat: 13. März 2020
  • Inkrafttreten: Tag nach der Verkündung, in Teilen am 31. Dezember 2019 und 1. Januar 2020

Ein Risikopool mindert künftig finanzielle Belastungen für einzelne Krankenkassen aufgrund von Hochkostenfällen. Der Gesetzgeber hat hier insbesondere sehr teure Arzneimitteltherapien im Blick, die zur Genesung oder langjährigen Verzögerung einer Krankheit führen und somit keine relevanten Folgekosten für Zuweisungen aus dem RSA verursachen. Krankenkassen erhalten aus dem Risikopool für jeden Versicherten 80 Prozent der Leistungsausgaben, die über 100.000 Euro pro Jahr hinausgehen. Begleitend werden die für den Pool verwendeten Leistungsdaten geprüft.

Neu geregelt wird an einigen Stellen die Praxis der Morbi-RSA-Zuweisungen. Bisher erhalten Krankenkassen für junge Versicherte mit hoher Morbidität tendenziell zu niedrige und ältere, multimorbide Versicherte tendenziell zu hohe Zuweisungen. Bei unterschiedlichen Versichertenstrukturen führt dies zu Wettbewerbsverzerrungen. Das Kriterium Erwerbsminderung wird nicht mehr als Risikomerkmal in den RSA einbezogen. Rabatte, die Pharmaunternehmen Krankenkassen einräumen, werden künftig für jeden Versicherten individuell und nicht mehr pauschal je Krankenkasse angerechnet.

Das ursprünglich geplante Verbot differenzierter Diagnosen im Rahmen innovativer Haus- und Facharztverträge kommt nicht. Die Allianz Deutscher Ärzteverbände und die AOK hatten vor einem solchen Verbot ausdrücklich gewarnt. Das Bündnis fürchtete, dass zahlreiche Verträge zur besseren Versorgung von Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen dadurch gefährdet gewesen wären, da zum Beispiel nicht mehr zwischen einem Diabetes Mellitus Typ I und Typ II bei der Dokumentation für den Morbi-RSA unterschieden worden wäre, obwohl beide Typen letztlich völlig unterschiedliche Krankheiten sind und unterschiedliche Behandlungen erfordern.

Darüberhinaus hält die Große Koalition an der sogenannten Manipulationsbremse fest. Sogenannte hierarchisierte Morbiditätsgruppen (HMGs), die GKV-weit eine bestimmte Steigerungsrate überschreiten, werden pauschal von der Berechnung der Risikozuschläge im Jahresausgleich ausgenommen. Krankenkassen erhalten künftig für jeden Versicherten eine Vorsorgepauschale, sobald eine Mutterschaftsvorsorge-, Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchung oder eine Schutzimpfung in Anspruch genommen wurde.

Der Weiterentwicklungsbedarf des Morbi-RSA wird künftig regelmäßig überprüft. Der Wissenschaftliche Beirat des BAS wird gesetzlich beauftragt, alle vier Jahre die Wirkungsweise des Finanzausgleichs zwischen den Kassen auszuwerten und zu bewerten. Zusätzlich kann der Beirat auch anlassbezogen mit der Prüfung von Einzelfragen durch BMG und BAS beauftragt werden.

Transparenz, Abstimmung und Kooperation zwischen den Krankenkassen-Aufsichtsbehörden auf Bundes- und Landesebene sollen besser werden. Aus Sicht des Ministeriums hat unterschiedliches Handeln in der Vergangenheit zu Wettbewerbsverzerrungen im GKV-Markt geführt. Verhaltensregeln für den Wettbewerb und insbesondere für Werbemaßnahmen der Krankenkassen werden genauer gefasst und die Rechtschutzmöglichkeiten der Krankenkassen untereinander neu geordnet. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wird als Mindeststandard für verbindlich erklärt. Maßnahmen der Risikoselektion werden untersagt. Bei Werbung muss die Sachinformation im Vordergrund stehen. Krankenkassen, die sich durch einen Rechtsverstoß eines Konkurrenten benachteiligt sehen, können unabhängig vom Einschreiten der zuständigen Aufsichtsbehörde selbst aktiv werden. Dies gilt auch beim Angebot unzulässiger Satzungsleistungen oder beim Verdacht auf RSA-Manipulationen. Für entsprechende UWG-Klagen steht künftig der Rechtsweg über Zivilgerichte offen.

Die Strukturen des GKV-Spitzenverbandes werden neu geordnet. Dem Verwaltungsrat wird ein neuer Lenkungs- und Koordinierungsausschuss mit zehn hauptamtlichen Vorstandsmitgliedern der Krankenkassen zur Seite gestellt. Der Ausschuss soll eine engere Anbindung des Spitzenverbandes an das operative Geschäft der Krankenkassen gewährleisten. Auf die ursprünglich geplante Verkleinerung des Verwaltungsrats von derzeit 52 auf 40 Mitglieder wird verzichtet. An der festen Quote des Frauenanteils auf mindestens 40 Prozent wird jedoch festgehalten.

Die vorrangige Haftungsverpflichtung der Krankenkassen innerhalb einer Kassenart wird abgeschafft. Stattdessen steht der GKV-Spitzenverband künftig für zahlungsunfähige Kassen ein. Die Insolvenzkosten müssten dann alle Kassen auf Basis eines Verteilungsschlüssels tragen.
Fachfremd sieht das GKV-FKG eine Zahlung der GKV von 250 Millionen Euro an die Krankenhäuser vor. Mit dieser zusätzlichen einmaligen Zuweisung sollen bisher nicht refinanzierte Gehaltstarifsteigerungen im Pflegebereich aus den Jahren 2018 und 2019 ausgeglichen werden. Dazu erhalten die Kliniken für jede voll- oder teilstationäre Behandlung einen Zuschlag von 0,3 Prozent auf den Rechnungsbetrag. Die Mehrausgaben der Kassen werden über die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds kompensiert.
Bereits vor der 1. Lesung im Bundestag haben die Regierungsfraktionen zahlreiche Änderungsanträge eingebracht, mit denen vor allem „fachfremde“ Anliegen umgesetzt werden sollen. Sie betreffen insbesondere Maßnahmen gegen Lieferengpässe bei Arzneimitteln.


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