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Kassen rutschen deutlich in die roten Zahlen
(08.09.22) Die offiziellen vorläufigen GKV-Finanzergebnisse für das 1. Halbjahr 2022 weisen ein Minus von rund 287 Millionen Euro aus. Die Einnahmen der Krankenkassen betrugen demnach rund 143,5 Milliarden Euro, die Ausgaben etwa 143,8 Milliarden.
Mit 6,7 Prozent besonders deutlich stiegen die Arzneimittelausgaben: um 1,521 Milliarden auf 24,175 Milliarden Euro. Die Ausgaben für stationäre Versorgung erhöhten sich um 3,98 Prozent beziehungsweise 1,650 Milliarden Euro auf 43,106 Milliarden Euro.
Die Leistungsausgaben insgesamt stiegen laut BMG um 5,2 Prozent. „Zu berücksichtigen ist, dass die Rate bei den Leistungsausgaben auf einer Corona-bedingt niedrigen Basis aufsetzt und daher mit Blick auf die Entwicklung im weiteren Jahresverlauf mit Vorsicht zu interpretieren ist“, teilte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit.
Der sehr deutliche Anstieg der Verwaltungskosten um 11,3 Prozent sei „weiterhin maßgeblich auf die Bildung hoher Altersrückstellungen einer einzelnen Krankenkasse im ersten Quartal zurückzuführen und dürfte sich im weiteren Jahresverlauf deutlich abflachen“, ergänzte das BMG. Gemeint ist die Techniker Krankenkasse (TK). Die AOK-Gemeinschaft weist im Rechnungszeitraum einen Verwaltungskostenanstieg von lediglich 4,3 Prozent auf.
„Die gesetzlichen Krankenkassen werden dieses Jahr in den schwarzen Zahlen bleiben“, prognostizierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Als Grund für seinen Optimismus nannte er „größere Rücklagen“, Mehreinnahmen der Kassen im beitragsstärkeren vierten Quartal und den zusätzlichen Steuerzuschuss in Höhe von 14 Milliarden Euro, der 2023 jedoch entfällt.
Im Etat des BMG für das nächste Jahr, der Anfang September in der Haushaltsdebatte des Bundestages auf der Tagesordnung stand, sind nur noch zwei Milliarden Euro als ergänzender Steuerzuschuss zu den regulären 14,5 Milliarden zum Ausgleich versicherungsfremder Aufgaben der Krankenkassen eingeplant. Hinzu kommt ein „überjähriges Darlehen an den Gesundheitsfonds von einer Milliarde Euro“.
Der Ausgabenspielraum des BMG schrumpft von 64,36 Milliarden in diesem Jahr auf 22,06 Milliarden im kommenden Jahr. 2023 entfallen vor allem Zahlungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für Belastungen aufgrund der Corona-Pandemie, die für das laufende Jahr mit 30,03 Milliarden Euro eingeplant waren.
Der AOK-Bundesverband teilt den Optimismus des Ministers nicht. Vorstandschefin Dr. Carola Reimann hatte schon bei der Bekanntgabe des Halbjahresergebnisses der AOK-Gemeinschaft im August betont, angesichts immer weiter steigender Ausgaben sei auch im weiteren Verlauf des Jahres keine Entspannung der Finanzlage in Sicht. Das Halbjahresergebnis bestätige vielmehr die Befürchtungen, dass die GKV 2023 in schweres Fahrwasser gerate.Das GKV-Finanzierungsstabilisierungsgesetz werde die größten Löcher nur notdürftig und kurzfristig stopfen können. „Von einer wirklichen und nachhaltigen Stabilisierung kann aber angesichts der großen Herausforderungen für die GKV überhaupt keine Rede sein“, unterstrich Reimann.
Die AOK-Gemeinschaft rutschte nach einem leichten Überschuss von 81 Millionen Euro im ersten Quartal jetzt mit 98 Millionen Euro ins Minus. Die Innungskrankenkassen erzielten auf ein Plus von 32 Millionen Euro und die Knappschaft von 37 Millionen Euro. Ebefalls rote Zahlen schrieben die Ersatzkassen mit 235 Millionen Euro und die Betriebskrankenkassen mit 56 Millionen Euro. Die nicht am Risikostrukturausgleich teilnehmende Landwirtschaftliche Krankenkasse verbuchte einen Überschuss von 32 Millionen Euro.
Ausgaben der GKV im ersten Halbjahr 2022 in ausgewählten Bereichen
Veränderungsrate je Versicherter gegenüber 2021 in der GKV und der AOK
Ausgaben in Milliarden Euro | Veränderungsrate GKV | Veränderungsrate AOK | Quelle: BMG, KV-45-Zahlen, 07.09.22 |
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Ärztliche Behandlung | 23,509 | 2,21 | 1,3 |
Zahnärztliche Behandlung | 6,563 | 3,72 | 2,9 |
Zahnersatz | 1,974 | 0,15 | -2,7 |
Arzneimittel | 24,175 | 6,60 | 6,1 |
Hilfsmittel | 5,078 | 5,80 | 4,7 |
Heilmittel | 5,498 | 12,41 | 14,8 |
Krankenhaus | 43,106 | 3,87 | 3,2 |
Krankengeld | 9,032 | 7,31 | 9,6 |
Fahrkosten | 4,091 | 11,62 | 11,2 |
Vorsorge- und Reha-Maßnahmen | 1,872 | 15,81 | 14,5 |
Schutzimpfungen | 1,138 | 16,37 | 27,6 |
Schwangerschaft/Mutterschaft ohne stationäre Entbindung | 0,789 | -2,09 | -1,6 |
Häusliche Krankenpflege | 4,091 | 6,02 | 4,8 |
Netto-Verwaltungskosten | 6,438 | 11,20 | 4,3 |