Selektivvertrag

Im Gegensatz zum Kollektivvertrag handelt es sich bei einem Selektivvertrag um Versorgungsverträge, die ohne gesetzliche Verpflichtung zwischen einer oder mehreren Krankenkassen und einzelnen Leistungserbringern oder Gruppen von Leistungserbringern geschlossen werden. Vertragspartner der Kassen können zum Beispiel Arztnetze, Medizinischen Versorgungszentren oder auch pharmazeutische Unternehmen sowie Hersteller von Medizinprodukten sein. In der politischen Diskussion werden Selektivverträge auch als Direktverträge bezeichnet, um zu betonen, dass der Versorgungsvertrag direkt zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern und -anbietern geschlossen werden kann. Die Einbindung von kollektiven Institutionen, wie beispielsweise Kassenärztliche Vereinigungen, ist nicht erforderlich. Für die Versicherten ist die Teilnahme an der selektivvertraglich vereinbarten Versorgung in der Regel freiwillig und mit einer zeitlich befristeten Einschreibung verbunden. Dafür können die Versicherten gegebenenfalls im Rahmen eines entsprechenden Wahltarifs ihrer Kasse am Wirtschaftlichkeitserfolg des Selektivvertrags teilhaben.

Eine Vertragstransparenzstelle beim Bundesamt für soziale Sicherung (BAS) erstellt ein Register, um Transparenz über die Verträge der Kassen zu schaffen und Zusammenhänge mit statistischen Auffälligkeiten in den RSA-Datenmeldungen erkennen zu können. Das BAS hat ein anlassbezogenes Prüfrecht für Selektivverträge im Hinblick auf RSA-relevante Verstöße. Die Beweislast für rechtswidriges Verhalten wird bei diesen Prüfungen umgekehrt. 

Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege (GPVG) hat die Bundesregierung im Jahr 2020 für Krankenkassen die Spielräume für Selektivverträge erweitert, um beispielsweise regionalen Bedürfnissen besser Rechnung tragen zu können. Kassen dürfen zudem nun auch sozialleistungsträgerübergreifende Netzwerke bilden, etwa mit der sozialen Pflegeversicherung. Zuvor ließen die gesetzlichen Regelungen zur besonderen Versorgung (Paragraf 140a SGB V) nur in engen Grenzen Vernetzungen über die gesetzliche Krankenversicherung hinaus zu. Das GPVG ermöglicht es den Kassen zudem, durch den Innovationsfonds geförderte Versorgungsprojekte nach dem Ende der Projektlaufzeit leichter als bisher auf freiwilliger Basis weiterführen zu können. Dies erfolgt, indem diese in Selektivverträge überführt werden.

Generell besteht die Möglichkeit zum Abschluss von Selektivverträgen im Wesentlichen in der besonderen Versorgung (§ 140a), bei strukturierten Behandlungsprogrammen für chronische Erkrankungen (Disease-Management-Programme) (§ 137 f SGB V) und Modellvorhaben (§§ 63ff SGB V). Ob Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung (§ 73b SGB V) zu den Selektivverträgen gehören, ist angesichts der weitreichenden gesetzlichen Vorgaben umstritten. Soweit Selektivverträge die Leistungen der kollektivvertraglichen Versorgung ersetzen, werden diese aus der an die Kassenärztlichen Vereinigungen zu zahlenden Gesamtvergütung herausgerechnet. Das Verfahren dieser Bereinigung wird vom Bewertungsausschuss festgelegt.

 

Zuletzt aktualisiert: 15-02-2023