Honorareinigung nur auf den ersten Blick maßvoll
Drei Fragen an Dr. Christian Peters

Dr. Christian Peters
19.10.16 (ams). Ein Honorarplus von rund einer Milliarde Euro haben der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Ende September für die Vertragsärzte im Jahr 2017 vereinbart – ohne Schlichterspruch, wie es in den vergangenen Jahren manchmal der Fall war. Dr. Christian Peters, Leiter der Abteilung Ambulante Versorgung im AOK-Bundesverband, hat die Verhandlungen begleitet.
Herr Dr. Peters, Kassenärzliche Bundesvereinigung - kurz KBV - und GKV-Spitzenverband haben sich überraschend schnell auf die Honorarerhöhung für 2017 verständigt. Dabei waren doch beide Seiten im August mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen in die Verhandlungen gegangen. Was hat zu der raschen Einigung geführt?
Peters: In der Tat lagen die Ausgangspositionen weit auseinander. Ab einem bestimmten Punkt steht man in solchen Verhandlungen vor der Frage, ob man mit einer Schlichtung – und das wäre der nächste Schritt gewesen – ein besseres Ergebnis erzielen kann oder ein schlechteres hinnehmen muss. In diesem Jahr waren die Vorzeichen so, dass wir, die Kassenseite, davon ausgegangen sind, mit einer einvernehmlichen Lösung besser zu fahren als mit einem nicht einzuschätzenden Schlichterspruch des Erweiterten Bewertungsausschusses.
Das Honorarplus liegt ja mit 1,8 Prozent Steigerung durch intrabudgetäre Menge, Preis und Medikationsplan als Struktureffekt unter den Werten aus Vorjahren. Können die Kassen, können Sie nicht damit zufrieden sein?
Peters: Wenn die eine Milliarde Euro tatsächlich alles wäre, durchaus. Aber es kommen noch einige Positionen hinzu, etwa die Kosten für die im Gesetz vorgesehene einmalige "Konvergenzregelung" für einzelne Regionen im Umfang von rund 460 Millionen Euro. Wir rechnen auch damit, dass die Mengensteigerung im Bereich der extrabudgetären Vergütung mit sechs Prozent oder knapp 720 Millionen Euro höher ausfallen wird, als derzeit prognostiziert. Kommt dies alles so, reden wir schon über eine Honoraranhebung um insgesamt 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2017. Außerdem sind zusätzliche Struktureffekte neben dem Medikationsplan, die sich insbesondere aus – gesetzesbedingt – neuen Leistungen ergeben, noch gar nicht berücksichtigt. Das sind beispielsweise Aufwendungen für die konsiliarische Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen, die ab dem zweiten Quartal 2017 vorgesehen ist, und die Neufassung der Psychotherapie-Richtlinie. Oder auch die Ausgaben der Kassen für die Förderung der Weiterbildung von Allgemeinmedizinern und Fachärzten, die mit etwa 60 Millionen Euro zu Buche schlagen werden. Insgesamt zusätzlich über eine Milliarde Euro pro Jahr. Die Kosten für die vertragsärztliche Versorgung werden also im nächsten Jahr erheblich stärker steigen, als die Honorareinigung im Bewertungsausschuss auf den ersten Blick vermuten lässt.
Welche Schritte stehen nun als nächste an?
Peters: Das Verhandlungsergebnis auf der Bundesebene ist die Grundlage für die bis Jahresende anstehenden regionalen Verhandlungen auf Landesebene zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen. So ist der bundesweite Orientierungswert maßgeblich für den regionalen Punktwert. In der Regel wird der Orientierungswert übernommen. Der liegt im kommenden Jahr bei 10,5300 Cent. Für die Vergütung werden also die Punkte, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab, dem EBM, jeder einzelnen Leistung zugeordnet sind, mit diesem Punktwert multipliziert. Da kommen aber auf der Landesebene noch weitere Faktoren hinzu, die eine wichtige Rolle spielen. Hierzu zählen etwa die gewichtet zu vereinbarenden morbiditätsbedingten Veränderungsraten. In Summe über all diese Faktoren unterscheiden sich dann die Gesamtvergütungssteigerungen und -steigerungsrate in den einzelnen KV-Bezirken teils erheblich.