Wichtige Ansätze für eine bessere Versorgung

Schwarz-roter Koalitionsvertrag

Foto: Arzt mit Tablet

16.02.18 (ams). Mehr Pflegepersonal in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, die Förderung der sektorenübergreifenden Versorgung, inklusive der Neuregelung der Notfallversorgung, Verbesserungen bei der Erreichbarkeit der Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen sowie die Erhöhung der Praxis-Mindestöffnungszeiten für gesetzlich Versicherte auf 25 Stunden pro Woche: Der Koalitionsvertrag von Union und SPD umreißt im Kapitel "Gesundheit und Pflege" konkrete Projekte für die 19. Legislaturperiode. Die Große Koalition stelle die richtigen Weichen, kommentiert der AOK-Bundesverband in einer ersten Kurzbewertung das schwarz-rote Regierungsprogramm bis 2021. Über dieses stimmt die SPD-Basis bis zum 2. März.

Die ordnungspolitischen Vorstellungen der Koalitionspartner, wie Veränderungen im Gesundheitswesen umgesetzt werden sollen, wirken hingegen auf den Politikchef des AOK-Bundesverbandes, Kai Senf, antiquiert. So vermisst Senf ein klares Bekenntnis zu wettbewerblichen Elementen als Impuls für innovative Ansätze sowie mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Ebenso wenig schreibe die Koalitionsvereinbarung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zusätzliche Steuerungs- und Gestaltungsfunktionen zu. "Im Gegenteil, Bund und Länder schaffen sich mehr Möglichkeiten zur direkten politischen Einflussnahme in die Entscheidungsprozesse", warnt Senf. Darüber hinaus bedauert er, dass wichtige Fragen der Gesundheitspolitik zum wiederholten Male ungeklärt bleiben könnten. "Zu den Mondpreisen bei neuen Arzneimitteln enthält der Koalitionsvertrag kein Wort. Auch die Aussagen zum Thema Digitalisierung und elektronische Gesundheitskarte sind eher verhalten und setzen keine neuen Akzente", kritisiert Senf

Mut zu Entscheidungen

Ungelöst bleibt aus Sicht des AOK-Bundesverbandes die weiterhin unzureichende Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser durch die Bundesländer. Zudem sei die Verlängerung des Strukturfonds allein nicht zielführend. "Wer die Krankenhaus-Landschaft mit Blick auf mehr Qualität umbauen will, muss nicht nur Geld in die Hand nehmen, er muss auch Mut zu Entscheidungen haben", bekräftigt Senf eine langjährige AOK-Position. Nur weitergehende Spezialisierung und Zentralisierung gewährleisteten zukunftsfähige Klinikstrukturen, optimale Patientenversorgung und ein bestmögliches Berufsumfeld für Pflegekräfte und Ärzte.

Ebenfalls kritisch sieht der AOK-Bundesverband die erneute Diskussion um ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Das Thema schien eigentlich vom Tisch, taucht jetzt aber wieder im Koalitionsvertrag auf. Das Verbot widerspreche zum einen den grundlegenden Forderungen der Koalitionsvereinbarung nach einer "Offensive für Bildung, Forschung und Digitalisierung", nach der die Digitalisierung große Chancen für die Bevölkerung biete, und werde zum anderen den Bedürfnissen chronisch Kranker und der Menschen im ländlichen Raum nicht gerecht. Ihnen werde eine Möglichkeit genommen, ihre Arzneimittelversorgung durch Online-Apotheken ergänzend sicherzustellen, so die Einschätzung der AOK.

Mit einem Sofortprogramm zur Schaffung zusätzlicher 8.000 Stellen bildet die Alten- und Krankenpflege wie bereits in der letzten Legislaturperiode einen gesundheitspolitischen Schwerpunkt. Es sei wichtig und richtig, dem Fachkräftemangel zu begegnen, so Senf. Aber eine bessere Bezahlung allein sei noch keine Lösung. Insofern seien Ansatzpunkte wie verpflichtende Personaluntergrenzen, die Nachweispflicht für Personalkosten, arbeits- und tarifrechtliche Regelungen sowie Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, zu begrüßen. Auch die zusätzlichen Unterstützungsleistungen für Angehörige seien geeignet, die Situation in der Pflege zu verbessern. Aber auch an dieser Stelle dämpft Politikchef Senf allzu große Erwartungen. "Ich bin skeptisch, ob sich die zusätzlichen Pflegefachkräfte tatsächlich so schnell schnitzen lassen angesichts der bereits heute großen Schwierigkeiten, frei gewordene Fachkräftestellen in der Altenpflege wieder zu besetzen."

Faire Finanzierungs- und Wettbewerbsvoraussetzungen sichern

Schon in den Sondierungsgesprächen hatte sich sehr früh abgezeichnet, dass Union und SPD wieder zur paritätischen Finanzierung der Beiträge in der GKV zurückkehren wollen. Bei der Umsetzung sei dabei insbesondere auf den Erhalt des vollständigen Einkommensausgleichs und die Einbeziehung aller Beitragsbestandteile in den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) zu achten, fordert die AOK.

Grundsätzlich haben sich die Koalitionäre darauf verständigt, den Morbi-RSA auf Basis der Gutachten des Expertenbeirats beim Bundesversicherungsamt weiterzuentwickeln. "Das ist aus unserer Sicht sachlich richtig und politisch wohl der einzige Weg, den Streit endgültig zu beenden", hofft Senf. "Was andere Kassen und Verbände zum Kassenwettbewerb und zur Wirkung des RSA gerade in die Welt setzen, geht an der wirklich guten Finanzsituation in der GKV komplett vorbei. Die Politik hat sich davon aber nicht aufs Glatteis führen lassen und setzt auf wissenschaftliche Expertise und evidente Daten und Fakten."


Zum ams-Politik 02/18