Sinnvolle Arbeit stärkt die Gesundheit - hohe Einkommen nicht so wichtig

Fehlzeiten-Report 2018

olM2gXjQTps

13.09.18 (ams). Wer seine Arbeit als sinnvoll erlebt, stärkt seine Gesundheit. Das geht aus einer aktuellen Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor. Demnach sind Beschäftigte, die ihre Arbeit als sinnvoll empfinden, im Durchschnitt an 9,4 Tagen im Jahr arbeitsunfähig. Ist das nicht der Fall, sind sie hingegen mehr als doppelt so häufig krank und fehlen im Durchschnitt an 19,6 Tagen pro Jahr. Die Ergebnisse der Befragung, an der rund 2.000 Erwerbstätige zwischen 16 und 65 Jahren teilgenommen haben, sind jetzt im Fehlzeiten-Report 2018 veröffentlicht. Der Report widmet sich der Frage, wie sich das Sinnerleben am Arbeitsplatz auf die Gesundheit der Mitarbeiter auswirkt.

Den allermeisten Befragten sind bei ihrer Arbeit Sinn, Sicherheit und Wohlbefinden am wichtigsten: 98,4 Prozent wollen sich am Arbeitsplatz wohlfühlen, 93 Prozent etwas Sinnvolles tun und 94 Prozent legen Wert auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen. Die Höhe des Einkommens hingegen spielt bei der Bewertung ihrer Tätigkeit eher eine untergeordnete Rolle – nur 60,6 Prozent der Studienteilnehmer hatten dies als wichtig angekreuzt. Drei Viertel der Befragten (75,8 Prozent) gaben zudem an, selbst dann weiterarbeiten zu wollen, wenn dies aus finanziellen Gründen gar nicht notwendig wäre. Nahezu die Hälfte (46,8 Prozent) wollte auch nach einem unerwarteten Geldsegen weiterhin im gleichen Unternehmen tätig sein.

"Arbeit ist mehr als eine ungeliebte Pflicht. In den modernen westlichen Industrieländern ist sie zentral für Selbstdarstellung, Identifikation, individuelle Sinnfindung und gesellschaftlichen Status", sagt Helmut Schröder, stellvertretender WIdO-Geschäftsführer und Mitherausgeber des Fehlzeiten-Reports.

Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Die WIdO-Daten zeigen insbesondere, dass für viele Beschäftigte Wunsch und Wirklichkeit an ihrem Arbeitsplatz weit auseinander liegen. Die große Mehrheit der Befragten (97,8 Prozent) will mit den Kollegen gut zusammenarbeiten und mit dem Vorgesetzten eine gute Beziehung pflegen (92,4 Prozent). Dass diese Erwartungen in der Realität eingelöst werden, erleben jedoch deutlich weniger Befragte: Nur 86,8 Prozent finden die Zusammenarbeit mit den Kollegen gut und lediglich 79,8 Prozent bewerten die Beziehung zum Chef positiv. Die deutlichste Spanne zeigt sich bei der Frage nach der Loyalität des Unternehmens: So wünschen sich 96,8 Prozent, dass das Unternehmen, wenn es darauf ankommt, auch hinter dem Beschäftigten steht. Doch nur 69,3 Prozent erleben dies auch. Das Wohlgefühl, das für nahezu alle Befragten wichtig ist, hat den drittgrößten Abstand zwischen Bedeutung (98,4 Prozent) und Erleben (84,4 Prozent).

"Das Sinnerleben hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Gesundheit der Beschäftigten. Unsere WIdO-Studie zeigt, dass Beschäftigte seltener fehlen, wenn Wunsch und Wirklichkeit nahe beieinander liegen", sagt WIdO-Vize Schröder. Gut jeder zweite Beschäftigte, der seinen Anspruch in der Realität nicht eingelöst sieht, klagt beispielsweise über Rücken- und Gelenkschmerzen (54,1 Prozent) oder Erschöpfung (56,5 Prozent). Unter den Erwerbstätigen, die ihre Arbeit als sinnstiftend erleben, gab dagegen nur ein Drittel an, an Rücken- und Gelenkschmerzen (34,0 Prozent) oder an Erschöpfung (33,2 Prozent) zu leiden.

Führungskräfte sind wichtige Vermittler

Angesichts des zunehmenden Mangels an qualifizierten Arbeitskräften sei es nötig, so Schröder, Strategien zu entwickeln, wie Unternehmen ihre Loyalität zu den Beschäftigten zeigen können. Auch müsse die vertrauensvolle Zusammenarbeit quer zu den Hierarchieebenen gezielt gefördert werden. "Die Führungskräfte spielen als Vermittler der Unternehmenskultur dabei eine besondere Rolle", sagt Schröder. Wenn der Chef beispielsweise die Kompetenz seiner Mitarbeiter respektiere und ihnen auch Entscheidungen überlasse, sorge er auch für mehr Engagement in der Belegschaft sowie für eine stärke Bindung an das Unternehmen.

Dass die Führungskraft im Unternehmen eine Schlüsselposition einnimmt, betont auch Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK Bundesverbandes: "Wer Chef ist, muss nicht nur fachlich gut, sondern auch ein Vorbild sein. Er oder sie muss zuhören, die Mitarbeiter unterstützen, ihnen Feedback geben und schließlich die Zusammenarbeit gestalten können." Um die Führungskräfte bei diesen vielfältigen Aufgaben zu unterstützen, hat die AOK das neue Onlineprogramm "Gesund führen" entwickelt. Führungskräfte lernen damit, wie sie selbst gesund bleiben und zugleich die Gesundheit ihrer Mitarbeiter fördern.

Mehr Gesundheitsförderung für die Pflegebranche

Litsch verwies darauf, dass die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) in Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen weiter an Bedeutung gewinnen werde. Schließlich sollen nach dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz jährlich rund 70 Millionen Euro in den Bereich fließen. Litsch: "Das ist sehr sinnvoll, denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflegeberufen sind überdurchschnittlich gesundheitlich belastet." Laut AOK-Statistik lag der Krankenstand in dieser Berufsgruppe 2017 bei 6,8 Prozent und somit über dem Bundesdurchschnitt von 5,3 Prozent. Die Pflegebranche gilt einerseits als ein Tätigkeitsfeld, das ein sehr hohes gesellschaftliches Ansehen genießt, und leidet andererseits seit Jahren unter einem wachsenden Fachkräftemangel. Es sei daher sinnvoll, so Litsch, in Pflegeeinrichtungen ganzheitliche Ansätze zu verfolgen, um die Gesundheit der Beschäftigten und der Pflegebedürftigen gleichermaßen zu stärken.

Mit diesem Ansatz treibe die AOK - mit Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit – auch das Pilotprojekt "QualiPEP" voran. Die Abkürzung steht für "Qualitätsorientierte Prävention und Gesundheitsförderung in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflege". Konkret geht es darum, Qualitätskriterien für die Betriebliche Gesundheitsförderung in Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen zu entwickeln.

Die Betriebliche Gesundheitsförderung, so Litsch, sei jedoch "nur ein Baustein", um die Gesundheit von Pflegekräften zu unterstützen. Deren Wohlbefinden, Engagement und Verbleib im Beruf seien auch eng verwoben mit der Unternehmenskultur und den betrieblichen Strukturen. "Nur wenn auch Unternehmen in ihr Personal und Länder in die Krankenhausstrukturen investieren, wird es gelingen, bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu gestalten."


Zum ams-Politik 09/18