Fristverlängerung für weniger riskante Medizinprodukte
EU-Ticker
13.12.19 (ams). Der Europäische Rat hat entschieden, die in der EU-Medizinprodukteverordnung vorgesehene erstmalige Prüfung von Produkten der Risikoklasse I um vier Jahre bis zum 26. Mai 2024 zu strecken. Dies betrifft zum Beispiel Rollstühle, Patientenbetten, Verbandmittel oder wiederverwendbare chirurgische Instrumente. Der Aufschub betrifft allerdings auch digitale Gesundheitsanwendungen, die in Deutschland künftig auf Rezept verordnet werden können. "Der zuständige Ausschuss des Europaparlaments hat der Fristverlängerung am 3. Dezember zugestimmt, kritisiert aber das Verfahren als rechtlich fragwürdig", erläutert der Vertreter der AOK in Brüssel, Evert Jan van Lente. "Im Parlament gibt es jedoch keine Mehrheit dafür, das Scharfstellen der Medizinprodukteverordnung zum 26. Mai 2020 insgesamt in Frage zu stellen. Auch die AOK lehnt dies ab."
Die Medizinprodukteverordnung ist am 25. Mai 2017 nach vierjähriger Verhandlung in Kraft getreten. Sie regelt EU-weit die Zulassung und Sicherheitsüberprüfung von Medizinprodukten in vier Risikoklassen. Sie müssen durch sogenannte Benannte Stellen innerhalb der Übergangsfrist bis zum 26.Mai 2020 zertifiziert werden. In Deutschland sind das zum Beispiel TÜV oder Dekra. Die Benannten Stellen ihrerseits müssen erneut oder erstmals zertifiziert werden.
Laut EU-Kommission sollten bis Ende 2019 mindestens 20 Stellen zertifiziert sein, bis zum 5. Dezember waren es jedoch nur sieben, davon drei in Deutschland. "Deshalb ist es nicht zu schaffen, die Flut der Klasse-I-Produkte rechtzeitig zum 26. Mai 2020 zu zertifizieren", sagt van Lente. "Bis 2024 reicht jetzt für Produkte dieser niedrigsten Risikoklasse eine Selbsterklärung des Herstellers. Damit werden befürchtete Versorgungsengpässe vermieden, zum Beispiel bei Skalpellen im Krankenhaus." Produkte einer höheren Risikoklasse mit einer gültigen Zertifizierung über den 26. Mai 2020 hinaus müssen das neue Prüfverfahren zunächst nur durchlaufen, wenn die individuelle Zertifizierungsfrist abläuft, oder wesentliche Änderungen am Produkt vorgenommen werden.
Deutschland EU-Spitze bei Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit
13.12.19 (ams). Zum 1. Dezember hat EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukatis (Litauen) das Amt an seine Nachfolgerin Stella Kyriakides (Zypern) übergeben. Zum Abschluss seiner Amtszeit stellte Andriukaitis noch den aktuellen Gesundheitsbericht für Europa vor. Deutschland hat demnach im Jahr 2017 im Ländervergleich am meisten für die Gesundheitsversorgung ausgegeben: 4.300 Euro pro Kopf. Das entsprach 11,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und lag rund 1.400 Euro über dem EU-Durchschnitt von 2.884 Euro. Deutschland gehört zudem zu den Ländern mit den höchsten Quoten an Krankenhausbetten, Ärzten und Krankenpflegekräften pro Einwohner in der EU. Der von der EU-Kommission und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) herausgegebene Bericht "Health at a Glance: Europe 2018" analysiert vergleichend die gesundheitliche Situation der Menschen und die Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme in den 28 EU-Mitgliedstaaten, fünf EU-Kandidatenländern sowie in Norwegen, Island und der Schweiz. Im Begleitbericht zu den Länderprofilen bezeichnet die EU-Kommission die „Impfskepsis als große Bedrohung für die öffentliche Gesundheit in ganz Europa“. Hier gelte es, die Gesundheitskompetenz der Menschen zu stärken und Desinformation zu bekämpfen.
Auch die Niederlande setzen auf das Nutri-Score-System
13.12.19 (ams). Auch die Niederlande wollen das Nutri-Score-System zur Nährwertkennzeichnung bei Lebensmitteln übernehmen. Das hat der Staatssekretär für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport, Paul Blokhuis, Ende November angekündigt. Die Verbraucherforschung habe gezeigt, dass von den in Europa verwendeten Logos der Nutri-Score am besten helfe, gesunde Entscheidungen zu treffen. Das Farbetikett soll aber nicht sofort eingeführt werden, da nach Angaben des niederländischen Ministeriums einige Aspekte des Systems nicht den dortigen Ernährungsrichtlinien entsprechen. Ein international besetztes Wissenschaftskomitee soll dies jetzt bis spätestens Mitte 2021 klären. Der Präventionsexperte des AOK-Bundesverbandes, Dr. Kai Kolpatzik, bezeichnete die niederländische Entscheidung als wichtigen Schritt hin zu einer verbindlichen Regelung auf EU-Ebene. Es sei jedoch zu befürchten, "dass die Lebensmittelhersteller jetzt versuchen, das Nutri-Score-System zu verwässern". Darauf deute auch eine am 3. Dezember veröffentlichte Mitteilung des Lebensmittelverbandes Deutschland hin. Darin erklärt sich der Lobbyverband zu einer "konstruktiven Begleitung" der Nutri-Score-Einführung in Deutschland bereit, fordert aber eine "Anpassung der Berechnungsgrundlage an tatsächliche Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher". Kolpatzik: "Beim Nutri-Score handelt es sich um eine sowohl wissenschaftlich nachgewiesene als auch von den Verbrauchern mehrheitlich befürwortete besonders verständliche Lebensmittelkennzeichnung. Die Politik sollte deshalb nicht zulassen, dass die Industrie wieder einmal mit Portionsgrößen und anderen Tricksereien zu viel Fett, Zucker oder Salz in den Produkten verschleiert."