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Chance auf bessere Strukturen und höhere Qualität
Reform der Notfallversorgung

24.01.20 (ams). Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hält das gesundheitspolitische Tempo unvermindert hoch. Kaum ist die Weihnachtspause vorüber, hat sein Ministerium direkt zum Ende der ersten Arbeitswoche des Jahres 2020 einen Referentenentwurf zur Reform der Notfallversorgung vorgelegt. Der AOK-Bundesverband findet viele lobende Worte. Der Gesetzentwurf greife die wichtigsten Problemstellungen der ambulanten Notfallversorgung auf und biete damit die Chance, die Versorgung strukturell zu verbessern, heißt es in einer ersten Bewertung. Gleichzeitig warnt der Verband vor finanziellen Risiken.
Der Referentenentwurf basiert in wesentlichen Teilen auf dem Diskussionspapier vom Sommer 2019. Ziel ist es, die bisher weitgehend getrennt organisierten Bereiche der ambulanten, stationären und rettungsdienstlichen Notfallversorgung zu einem integrierten System weiter zu entwickeln. Patienten sollen sich in diesem System künftig besser orientieren können, Wartezeiten verkürzt sowie Personal und Geld effizienter eingesetzt werden.
Um diese Ziele zu erreichen, setzt das Bundesgesundheitsministerium auf drei wesentliche Maßnahmen. Ein gemeinsames Notfallleitsystem (GNL) übernimmt künftig eine Lotsenfunktion zur besseren Steuerung der Patienten. Das GNL nimmt nach fachlichen Standards eine erste Einschätzung zum Versorgungsbedarf des Patienten vor und koordiniert auf Basis dessen Leistungen der medizinischen Notfallrettung. Es ist erreichbar über die schon bekannten Telefonnummern 112 für den Rettungsdienst und 116 117 für den Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Hier soll sich entscheiden, ob ein Patient ein Krankenhaus aufsuchen muss oder ob die Versorgung des Patienten durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu Hause oder mithilfe telemedizinischer Instrumente ausreicht.
Notfallzentren auf geeignete Standorte konzentrieren
In ausgesuchten Kliniken werden darüber hinaus integrierte Notfallzentren (INZ) eingerichtet. Sie stehen Patienten offen, die direkt ins Krankenhaus gekommen sind und nicht zunächst telefonisch den Rettungs- oder Notdienst verständigt haben. Auch die INZ nehmen eine erste Einschätzung vor, entscheiden über die unmittelbar erforderliche Versorgung und veranlassen gegebenenfalls die Einweisung ins Krankenhaus. Betrieben werden die Zentren, so der Plan, von den KVen und den Krankenhäusern. Die fachliche Leitung obliegt der jeweiligen KV. Die Planung der INZ-Standorte erfolgt durch KVen, Landeskrankenhausgesellschaften und Krankenkassen gemeinsam. Insbesondere letzteres begrüßt die AOK „ausdrücklich“. In Kombination mit der Einführung des GNL könne so eine wesentliche bessere Patientensteuerung gelingen. Dafür sei es unerlässlich, die ambulante Notfallversorgung auf die Standorte zu konzentrieren, die dafür auch geeignet sind.
Auch die gesetzlich vorgesehenen Vergütungsanreize können aus Sicht des AOK-Bundesverbandes diese strukturellen Änderungen befördern. Bis zum Kabinettsentwurf müsse jedoch geklärt sein, wie man finanzielle Risiken minimiere. Anpassungen bei den Vergütungsstrukturen hätten in der Vergangenheit immer auch erhebliche Mehrkosten für die Beitragszahler nach sich gezogen. Deshalb sollten nach Ansicht der AOK die Kassen bei den Entscheidungen über die neue Vergütungssystematik eine stärkere Position erhalten.
Für die Ausgestaltung des Leistungsspektrums zeichnet künftig der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) verantwortlich. Er soll auch bundesweit festlegen dürfen, welche Krankenhäuser bei Diagnosen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Polytrauma, überhaupt angefahren werden dürfen - für den AOK-Bundesverband ein zentrales Instrument, die Qualität der ambulanten Notfallversorgung zu erhöhen.
Schließlich wird die "medizinische Notfallrettung" eigenständige Leistung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Entscheidung sei eine logische Folge aus der Etablierung des GNL, somit sachgerecht und würde ohnehin teilweise regional schon so umgesetzt.