Lesedauer: 2.30 Minuten
Kommissionsvorschlag zeigt die richtige Perspektive auf
Drei Fragen zum Krankenhaus-Reformkonzept an Dr. David Scheller-Kreinsen, Leiter des Referats Stationäre Versorgung im AOK-Bundesverband

Dr. David Scheller-Kreinsen
19.12.22 (ams). Die Expertenkommission der Bundesregierung empfiehlt einen radikalen Umbau der Kliniklandschaft und eine neue Form der Finanzierung. Krankenhäuser sollen künftig auf Basis von Leistungsgruppen drei Versorgungsstufen zugeordnet werden, die Vergütung über Fallpauschalen (DRG) zurückgefahren und stattdessen die Vorhaltekosten stärker berücksichtigt werden. Für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach handelt es sich um nichts weniger als eine „Revolution“. Der AOK-Bundesverband hält eine Reform für überfällig. „Seit mehr als zehn Jahren ist klar, dass die momentanen Versorgungsstrukturen nicht zukunftsfest sind, Fachkräfte fehlen, Patienten werden nicht optimal versorgt, und wir gehen mit den Mitteln der GKV nicht wirtschaftlich um“, beschreibt Krankenhausexperte Dr. David Scheller-Kreinsen den Handlungsdruck im Interview mit dem AOK-Medienservice (ams).
Herr Dr. Scheller-Kreinsen, der AOK-Bundesverband hat das Konzept der Regierungskommission ausdrücklich gelobt. Wo liegen die Vorteile?
Scheller-Kreinsen: Die Empfehlungen der Kommission sind gut, weil jetzt endlich ein Konzept vorliegt, das aufzeigt, wie eine Modernisierung der Krankenhauslandschaft konkret angegangen werden muss. Mit dem Konzept kann es gelingen, die Anreize der Klinikfinanzierung und der Krankenhausplanung gleichgerichtet auf moderne und tragfähige Klinikstrukturen auszurichten. Es darf künftig keine Unwuchten mehr zwischen Finanzierung und Planung geben. Die Umsetzung wird jetzt ein mühsamer Prozess, der viele politische und methodische Herausforderungen birgt. Aber der Kommissionsvorschlag zeigt die richtige Perspektive auf. Die vergangenen 15 Jahre haben deutlich gemacht, dass die einseitige Fixierung auf einzelne regulatorische Themen wie Finanzierung, Qualitätssicherung oder Planung oder auf bestimmte Ebenen wie Bundes-, Landes- oder Ortsebene uns nicht nach vorne bringt.
Die Reform soll kostenneutral umgesetzt werden. Das verspricht zumindest der Minister. Ist das nicht Wunschdenken?
Scheller-Kreinsen: Was den Bereich der Betriebskostenfinanzierung angeht: Es geht nicht anders. Die Ressourcen, die uns für die die Krankenhaus-Finanzierung zur Verfügung stehen, werden ja in den kommenden Jahren nicht substanziell wachsen. Zu viele Krisen müssen parallel bewältig werden. Und neben dem Krankenhauswesen gibt es ja noch andere Bereiche wie Infrastruktur Bildung oder Sozialpolitik, die dringend finanzielle Mittel benötigen. Es wäre auch nicht richtig, wieder reflexartig den Geldhahn aufzudrehen, denn in Deutschland fließen ja insgesamt viele Ressourcen in den Krankenhausbereich – nur werden diese Mittel bislang nicht zielgerichtet verteilt. Wenn es im Bereich der Betriebskostenfinanzierung eine Finanzierung „on top“ gibt, wird das Hamsterrad nicht gestoppt und es gibt keine Impulse zur Modernisierung. Unabhängig davon müssen die Länder im Zuge der Daseinsvorsoge ihrer Verpflichtung zur Investitionskostenfinanzierung dringend nachkommen. Um die notwendigen Strukturveränderungen der jetzt angestoßenen Reform schnell umzusetzen, könnte der Bund ergänzend einen dritten Strukturfonds auflegen.
Viele Konzepte sind schon oft an der Umsetzung gescheitert. Worauf kommt es jetzt besonders an?
Scheller-Kreinsen: Eine Dämpfung des Mengenanreizes der Krankenhausfinanzierung lässt sich mit dem Konzept relativ einfach erreichen. Viel schwieriger wird es sein, Impulse für die notwendige Modernisierung zu setzen. Die brauchen wir allerdings schnell, denn der Fachkräftemangel und die knappen finanziellen Mittel sind ja akute Probleme. Wesentlich für eine Modernisierung wird es sein, dass Vorhaltepauschalen konkret an bundeseinheitlich definierte Leistungsgruppen gekoppelt werden. Nur wenn klar ist, welche medizinischen Vorhaltungen an fallunabhängige Pauschalen geknüpft werden, kann künftig Gelegenheitsversorgung ausgeschlossen werden. Vorhaltepauschalen können zudem das notwendige Bindeglied zwischen dem Versorgungsauftrag der Krankenhausplanung und der Krankenhausfinanzierung bilden. Wenn Vorhaltepauschalen auf Basis von nur grob oder flexibel umrissenen Vorhaltestufen ausgeschüttet werden, besteht ein hohes Risiko, dass lediglich der Status quo zementiert wird. Dann wird es mit der Modernisierung der Strukturen nicht klappen.