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EU-Kommission will gegen Arzneimittelengpässe vorgehen

EU-Ticker

Foto: Pflegekraft dosiert Arzneimittel (Auschnitt Hände mit Dosierschale - Morgen, Mittag, Abend)

20.01.23 (ams). Angesichts von Lieferengpässen bei wichtigen Medikamenten will die EU-Kommission über die Arzneimittelgesetzgebung gegensteuern. Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides kündigte für März entsprechende Vorschläge an. Dabei gehe es um striktere Lieferverpflichtungen, eine frühere Meldung von Engpässen und Marktrücknahmen sowie mehr Transparenz bei den Lagerbeständen, sagte sie am 17. Januar im Europarlament im Straßburg. Bei Bedarf werde auch die in der Corona-Pandemie eingerichtete Krisenreaktionsbehörde HERA aktiv, um im Auftrag der Mitgliedstaaten eine gemeinsame Beschaffung von Medikamenten zu koordinieren.

Die von Kyriakides genannten Maßnahmen dürften im Zusammenhang mit der ausstehenden Neuordnung des EU-Arzneimittelrechts stehen. Die schon vor zwei Jahren als Baustein der Gesundheitsunion angekündigte Vorlage für eine neue Arzneimittelstrategie wollte die Kommission ursprünglich bis Ende 2022 veröffentlichen. Im November hatte Kyriakides dies auf „Anfang 2023“ verschoben.

Nach Angaben der EU-Arzneimittelagentur EMA melden derzeit fast alle Unionsländer Engpässe bei Antibiotika. Angesichts der Lieferprobleme bei Schmerzmitteln und Fiebersäften für Kinder hatte der AOK-Bundesverband im Dezember ein Frühwarnsystem für Produktions- und Lieferausfälle bei Medikamenten gefordert und das deutsche System freiwilliger Lieferausfallmeldungen durch die Pharmaunternehmen als unzureichend kritisiert.

Medizinprodukte: Übergangsfristen sollen verlängert werden

20.01.23 (ams). Um Versorgungsengpässe zu vermeiden, hat die EU-Kommission am 6. Januar längere Übergangsfristen für die Neuzertifizierung von Medizinprodukten vorgeschlagen. Konformitätsbescheinigungen, die bis zum Inkrafttreten der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung am 26. Mai 2021 ausgestellt wurden, sollen danach um teilweise mehr als vier Jahre über den bisherigen Stichtag (26. Mai 2024) hinaus verlängert werden. Dadurch hätten sowohl die Unternehmen als auch die Zertifizierungsstellen (Benannte Stellen) mehr Zeit zur Umstellung auf die strengeren Vorgaben der Medizinprodukteverordnung.

Das Papier der Kommission sieht vor, dass die Zertifizierung von Produkten mit höherem Risiko (zum Beispiel Herzschrittmacher und Hüftimplantate) bis Ende 2027 und für Produkte mit mittlerem und geringerem Risiko (Spritzen oder wiederverwendbare chirurgische Instrumente) bis Ende 2028 verlängert wird. Für implantierbare Sonderanfertigungen der höchsten Risikoklasse III soll der Übergangszeitraum bis zum 26. Mai 2026 verlängert werden. Zudem will die Kommission das bislang vorgesehene Abverkaufsgebot streichen. So könnten nach altem Recht zugelassene Produktbestände weiter auf dem Markt bleiben.

„Der Vorschlag ändert nichts an den geltenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen, die in der Verordnung über Medizinprodukte festgelegt sind“, betonte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Er ändere lediglich die Übergangsbestimmungen, „damit den Herstellern mehr Zeit für den Übergang von den zuvor geltenden Vorschriften zu den neuen Anforderungen der Verordnung bleibt.“ Der Europäische Rat und das Europaparlament müssten den verlängerten Fristen noch zustimmen. Wegen der Dringlichkeit ist nach Angaben der EU-Kommission ein beschleunigtes Mitentscheidungsverfahren vorgesehen.

Der Europaabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Peter Liese, begrüßte den Vorschlag, auf den er mehrfach auch bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gedrängt habe. Bei bestimmten Nischenprodukten reiche aber eine Fristverlängerung nicht aus. „Da brauchen wir gezielte Regelungen, wie wir sie zum Beispiel auch bei Arzneimitteln für die Behandlung von Kinderkrankheiten haben“, so Liese.

Neues EU-Forschungsprojekt zu „Real World Data“ gestartet

20.01.23 (ams). Mit dem auf vier Jahre angelegten Forschungsprojekt „Real4Reg“ will die EU mehr Erkenntnisse über das Einbeziehen der sogenannten „Real World Data“ (RWD) in die Entscheidung über Arzneimittelzulassungen gewinnen. „Unter anderem sollen Informationen über die Verwendung von Medikamenten durch die Bevölkerung aus Abrechnungsdaten der Krankenkassen genutzt werden“, erläuterte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Künstliche Intelligenz solle dazu genutzt werden, die zahlreichen und komplexen Anwendungsinformationen aus der Versorgungspraxis auszuwerten. „Thema wird auch sein, wie vorhandene Methoden verbessert und neue Methoden in den Organisationen eingeführt werden können“, so das BfArM. Insgesamt gehe es darum, die Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln in der Praxis zu verbessern. Bestehende europäische Initiativen zur RWD-Analyse sollen einbezogen werden.

Das BfArM koordiniert das mit Mitteln aus dem EU-Forschungsprogramm „Horizon Europe“ geförderte Projekt. Beteiligt sind insgesamt zehn europäische Partner, darunter nationale Regulierungs- und Gesundheitstechnologiebewertungsbehörden (HTA), sowie Universitätseinrichtungen und Patientenorganisationen aus sechs EU-Ländern. Über eine öffentliche Website wollen die Partner künftig fortlaufend über Aktivitäten und Ergebnisse des Projektes berichten.

Schweden übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft

20.01.23 (ams). Zu Jahresbeginn hat Schweden die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Als Prioritäten für die sechsmonatige Amtszeit hat die Regierung des skandinavischen Landes „Sicherheit, Widerstandsfähigkeit, Wohlstand, demokratische Werte und Rechtsstaatlichkeit“ benannt. Schweden komplettiert nach Frankreich und Tschechien die aktuelle Trio-Präsidentschaft. Im Bereich Gesundheit hatten sich die drei Länder in ihrem gemeinsamen Programm vorgenommen, einen „einheitlichen Gesundheitsansatz“ zu fördern. Dieser solle gewährleisten, „dass die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger der EU geschützt ist und die EU – vom Bereich Forschung bis zur Produktion sowie im Fall grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren durch bessere Koordinierung auf EU-Ebene – auf gesundheitliche Herausforderungen reagieren kann“. In diesem Zusammenhang hatte sich der Dreiervorsitz dafür eingesetzt, die Verhandlungen über das Paket zur Europäischen Gesundheitsunion abzuschließen und zu unterstützen. Dieses war weitgehend bereits während der jeweils halbjährigen Amtsperioden Frankreichs und Tschechiens 2022 gelungen.

In der EU gelten die weltweit strengsten Trinkwasservorgaben 

20.01.23 (ams). Nach einer zweijährigen Übergangsfrist ist seit dem 12. Januar die EU-Trinkwasserrichtlinie endgültig wirksam. Damit gelten nach Angaben der EU-Kommission in der Union die weltweit strengsten Standards für die Wasserqualität. Die Mitgliedstaaten seien zudem verpflichtet, „den Zugang zu sicherem Trinkwasser für alle und insbesondere für gefährdete und marginalisierte Gruppen zu verbessern und zu erhalten“, erläuterte die Kommission. Die Richtlinie enthält strengere Vorgaben zur Kontrolle von Trinkwasserquellen, Leitungswasser und Leistungssystemen. Das Augenmerk liegt zudem verstärkt auf neuartigen Schadstoffen, darunter Mikroplastik oder Substanzen, die das menschliche Hormonsystem beeinflussen können (endokrine Disruptoren). Außerdem wurden Hygienevorschriften für Materialien verschärft, die direkt mit Trinkwasser in Kontakt kommen. Die neuen Regeln gehen auch auf die erste erfolgreiche europäische Bürgerinitiative zurück. Die Unterschriftensammlung „Right2Water“ hatten 1,6 Millionen Menschen unterschrieben.

„Digitales Covid-Zertifikat einzig wirksame Reiseerleichterung“

20.01.23 (ams). Aus Sicht des Europäischen Rechnungshofes (EuRH) in Luxemburg war von allen europäischen Instrumenten zur Reiseerleichterung in der Corona-Pandemie nur das digitale Covid-Zertifikat grenzübergreifend nützlich. Andere Instrumente hätten aufgrund der begrenzten Nutzung nicht die erwünschte Wirkung gezeigt. Bis Ende März 2022 wurden laut EuRH mehr als 1,7 Milliarden Covid-Zertifikate zum Nachweis einer Corona-Impfung, eines negativen Tests oder einer überstandenen Infektion ausgestellt.

Die Rechnungsprüfer nahmen neben dem digitalen Covid-Zertifikat eine Anwendung zur Nachverfolgung von Kontaktpersonen, ein digitales Formular zur Reiseanmeldung sowie die Plattform für den Austausch zwischen den EU-Ländern unter die Lupe. Für die Entwicklung dieser Instrumente zur Vereinheitlichung der Reiseregeln hatte die EU-Kommission insgesamt rund 71 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Der Prüfbericht zu Wirkung und Finanzierung der Kriseninstrumente bezieht sich auf den Zeitraum von Oktober 2020 bis Juni 2022.Das digitale Reiseformular wurde laut EuRH-Bericht nur 27 Millionen Mal und zu über 90 Prozent der Fälle in Italien genutzt. Die EU-Austauschplattform sei fast gar nicht verwendet worden. Bei der Anwendung zur Nachverfolgung von Kontaktpersonen kamen bis Mai 2022 83 Prozent der Daten von Nutzern aus Deutschland.

Kritisch bewertete der Rechnungshof zudem, dass es keine Vorkehrungen gebe, die in der Pandemie entwickelten Instrumente längerfristig zu nutzen oder bei Bedarf schnell wieder reaktivieren zu können. So laufe die Rechtsgrundlage für das digitale Covid-Zertifikat der EU im Juni dieses Jahres aus.


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