Kommission will neue Arzneimittelstrategie vorstellen
EU-Ticker

29.03.23 (ams). Die EU-Kommission will die Arzneimittelgesetzgebung der Union neu ordnen. Die Vorschläge für eine neue EU-Arzneimittelstrategie sollen Ende März in Brüssel vorgestellt werden. Nach Informationen der Europavertretung der deutschen Sozialversicherungen (DSVE) sind zwei neue Arzneimittelgesetze geplant. So solle einerseits die EU-Richtlinie zur Schaffung eines Unionskodexes für Humanarzneimittel völlig neu gefasst werden. Zudem plane die Kommission, fünf bestehende Einzelverordnungen zu einem gemeinsamen Gesetzestext zusammenzuführen. Das beträfe die EU-Vorgaben zur Genehmigung und Überwachung von Humanarzneimitteln, zur Arbeit der EU-Arzneimittelagentur (EMA) sowie Regelungen zu neuartigen Arzneimitteltherapien (ATMP), klinischen Prüfungen, Kinderarzneimitteln und Medikamenten für seltene Erkrankungen. Ziel der EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides bereits für 2022 angekündigten Reform ist es, die Verfügbarkeit und die Bezahlbarkeit von Arzneimitteln zu verbessern und gleichzeitig die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie zu sichern.
Den Prozess hatte bereits die Vorgänger-Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker angestoßen. Seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen und Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hatten das Thema zum Schwerpunkt der laufenden Legislaturperiode erklärt und bereits im November 2020 ihre Ziele vorgestellt. Durch die Pandemie sind die Themen Krisenvorsorge und -reaktion, Lieferkettensicherheit und strategische Autonomie der EU sowie internationale Zusammenarbeit hinzugekommen.
Laut Entwurfsfassung, die der DSVE vorliegt, sollen die bestehenden Patentschutzfristen für neue Medikamente künftig an bestimmte Bedingungen geknüpft werden. Das beträfe zum Beispiel strengere klinische Studien mit Vergleichstherapien, die uneingeschränkte Verfügbarkeit in allen 27 EU-Staaten und das Abdecken eines bisher nicht ausreichend versorgten medizinischen Bedarfs. Auch die Schutzfristen für Medikamente gegen seltene Erkrankungen (Orphan Drugs) sollen an besondere Bedingungen geknüpft werden. Zudem plant die Kommission besondere Marktanreize für die Antibiotika-Hersteller.
Medizinprodukte: Rat stimmt Fristverlängerungen zu
29.03.23 (ams). Nach dem Europaparlament haben auch die Regierungen der EU-Staaten der Verlängerung des Übergangszeitraums für die Re-Zertifizierung vorhandener Medizinprodukte zugestimmt. Der Europäische Rat billigte am 7. März die von der Kommission Anfang Januar vorgeschlagenen Fristverlängerungen um bis zu vier Jahre. Laut Medizinprodukteverordnung liefe die Übergangsfrist am 26. Mai 2024 endgültig aus. Durch die Fristverlängerung bleibt den für die Ausstellung neuer Konformitätsbescheinigungen zuständigen privatwirtschaftlichen „Benannten Stellen“ – in Deutschland unter anderem TÜV und Dekra – jetzt mehr Zeit: für Produkte mit höherem Risiko (zum Beispiel Herzschrittmacher) bis Ende 2027, für Produkte mit mittlerem und geringerem Risiko (Spritzen oder wiederverwendbare chirurgische Instrumente) bis Ende 2028 und für implantierbare Sonderanfertigungen der höchsten Risikoklasse bis zum 26. Mai 2026. Die Verlängerung soll Versorgungsengpässe im Bereich wichtiger Medizinprodukte verhindern. Parlament und Rat haben den Vorschlag am 15. März auch förmlich angenommen. Die Regelungen treten am Tag nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft.
Experten befürworten EU-weiten Gesundheitsdatenaustausch
29.03.23 (ams). Die Pläne für einen europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space - EHDS) sind bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages Anfang März überwiegend auf positive Resonanz gestoßen. Der Gesundheitsforscher Ferdinand Gerlach von der Universität Frankfurt am Main betonte nach Angaben von „Heute im Bundestag“ (hib) die praktischen Vorteile eines europäischen Gesundheitsdatenraums deutlich. Ärzte müssten auch bei der Behandlung von Patienten aus anderen EU-Ländern wissen, welche Medikamente diese nähmen oder ob sie Allergien hätten. Insbesondere Patienten mit seltenen Erkrankungen profitierten vom EHDS, da es dann mehr Fälle für gemeinsame Forschung gebe.
Christof von Kalle vom Berliner Institut für Gesundheitsforschung an der Charité sagte laut „hib“, die Patienten müssten die Verfügungsgewalt über ihre Daten behalten. Zudem müssten Hersteller von Informationssystemen verpflichtet werden, interoperable Softwareprodukte anzubieten und Übergangspunkte zwischen unterschiedlichen Systemen in den EU-Staaten ohne Zusatzkosten zur Verfügung zu stellen. Marcel Weigand von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) sprach ebenfalls von großen Vorteilen für die Versorgungsforschung. Akzeptanz finde der EHDS in der Bevölkerung aber nur, wenn Sicherheit, Verlässlichkeit und Transparenz gewährleistet seien. Dazu gehöre vor allem Rechtssicherheit bei der Daten-Anonymisierung und -Pseudonymisierung.
Die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung (DSVE) hat die Einrichtung eines EHDS grundsätzlich begrüßt. Die Datenauswertung solle aber immer im öffentlichen Interesse erfolgen. „Die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und Politikgestaltung muss vorrangig den Patientinnen und Patienten sowie den Sozial- und Gesundheitssystemen zugutekommen“, heißt es in der Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag. Die vorgesehenen Zugriffsrechte der Industrie und die Verwendung von Gesundheitsdaten zu kommerziellen Zwecken müssten kritisch überprüft werden und „die von der Solidargemeinschaft zur Verfügung gestellten und von Dritten genutzten Daten zu adäquaten Gegenleistungen führen, zum Beispiel durch finanzielle Kompensation“.
Widerstand gegen den Verordnungsentwurf der EU-Kommission kommt von Seiten des Datenschutzes. So warnt etwa das „Netzwerk Datenschutzexpertise“ in einem Gutachten vor einem „Paradigmenwechsel beim Umgang mit ärztlicher Schweigepflicht und Patientengeheimnis“. Der EHDS solle Daten auch Sekundärzwecken zugänglich machen, ohne dass die Betroffenen hierzu um ihre Zustimmung gefragt werden müssten. Überdies solle es nicht nur um Versorgungsforschung gehen, sondern zum Beispiel auch um Datennutzung zum Trainieren künstlicher Intelligenz oder zur Entwicklung neuer Gesundheitsprodukte. Ähnliche Bedenken äußerte der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri.
EU-Befragung zum Ziel „Generation Rauchfrei“
29.03.23 (ams). Noch bis Mitte Mai läuft ein öffentliches Beteiligungsverfahren der EU-Kommission zum Rechtsrahmen für Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums. Bei der Konsultation geht es laut Kommission um Produktregulierung, Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring im Zusammenhang mit anderen politischen Maßnahmen. Aufgrund „von Faktoren wie der rapiden Zunahme neu entstehender Produkte und den jüngsten technischen Entwicklungen“ sei es nötig, die rechtlichen Bedingungen neu zu bewerten. „Tabak ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko, die Hauptursache für vorzeitiges Sterben in der EU und jedes Jahr verantwortlich für fast 700.000 Todesfälle“, so die Kommission. Im „Europäischen Plan gegen den Krebs“ haben die EU-Staaten das Ziel einer „Generation Rauchfrei“ bis 2040 vereinbart.