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Kritik an Gutschein-System zur Antibiotika-Förderung
EU-Ticker

25.04.23 (ams). EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides will nun am 26. April die Pläne der EU-Kommission für eine neue Arzneimittelgesetzgebung der Union vorstellen. Die Präsentation wurde zuvor bereits mehrfach verschoben. Nach einem vorab bekannt gewordenen Textentwurf will die Kommission die Entwicklung neuartiger Antibiotika gegen multiresistente Krankheitserreger durch übertragbare Exklusivitätsgutscheine belohnen. Über einen solchen Voucher könnte der Hersteller eines neuen Antibiotikums den Patentschutz für ein bereits zugelassenes Arzneimittel unter bestimmten Bedingungen einmalig um ein Jahr verlängern und so besonders umsatzstarke Medikamente länger vom Generika-Wettbewerb abschotten. Laut Kommissionsentwurf dürften die Voucher auch an andere Unternehmen verkauft werden.
Die deutschen Krankenkassen lehnen ein solches Gutschein-System ab. Es sei ungeeignet, Innovationen zu belohnen und gleichzeitig die Gesundheitssysteme bezahlbar zu halten, heißt es in einem Statement der Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung (DSVE). Die Kommission bemesse den Wert eines Vouchers mit rund 360 Millionen Euro. Angewandt auf besonders profitable Medikamente könne es aber schnell um jährliche Umsätze von mehr als einer Milliarde Euro gehen. Durch verlängerte Schutzfristen würden Entwicklung und Marktzugang von Wettbewerbsprodukten verzögert, betont die Europavertretung, in der die deutschen Krankenkassen durch den GKV-Spitzenverband vertreten sind. „Übertragbare Voucher bevorzugen zudem systematisch große Pharmaunternehmen, die in ihrem Portfolio entsprechend umsatzstarke Arzneimittel haben, für die sich der Kauf eines Vouchers lohnt“, so die DSVE. So erreiche nur ein Teil der finanziellen Anreize tatsächlich die Antibiotika-Entwickler und -Produzenten, bei denen es sich oftmals um kleinere Unternehmen handele.
Die Europavertretung verweist auf Alternativen, darunter mengenunabhängige Markteinführungsprämien, direkte Forschungsförderung oder EU-weite Einnahmegarantien für die Entwickler. Neben der Entwicklung neuer Antibiotika müsse es zudem darum gehen, vorhandene Medikamente und besonders Reserveantibiotika zurückhaltend und indikationsgerecht einzusetzen. Eine im November 2022 veröffentlichte Untersuchung im Auftrag der EU-Kommission habe belegt, „dass in Europa auch weiterhin relevante Mengen an Antibiotika ohne ärztliche Verschreibung oder ohne Indikation eingenommen werden“. Auch die Vorgaben zur Begrenzung von Verschreibungsdauer und Packungsgrößen werde nicht konsequent genug gehandhabt.
Datenschutzkonferenz bemängelt Pläne für EU-Gesundheitsdatenraum
25.04.23 (ams). Aus Sicht der deutschen Datenschützer ist der vorliegende Entwurf der EU-Kommission für einen europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) nicht geeignet, das öffentliche Interesse an wissenschaftlicher Forschung mit dem Grundrecht der Bürger auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung angemessen zu verbinden. Das geht aus der Ende März vorgelegten Stellungnahme der Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern (DSK) hervor. Darin stoßen sich die Experten insbesondere daran, dass laut Kommissionsvorschlag die Forschung Gesundheitsdaten ohne Einwilligung der Betroffenen erhalten soll. Ein Widerspruchsrecht sei nicht vorgesehen. Die betroffenen Personen müssten aber darauf vertrauen können, dass bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten die Regelungen der europäischen Datenschutz-Grundverordnung und die in der EU-Grundrechtecharta verbrieften Datenschutzrechte nicht verletzt werden, heißt es in der Stellungnahme.
Die EHDS-Verordnung sehe umfangreiche gesetzliche Nutzungsrechte vor, die in die Rechte der Betroffenen eingriffen. „Um den Kernbereich der Grundrechte zu gewährleisten, sind daher die Betroffenen in geeigneter Weise einzubinden, auch dann, wenn auf eine aus datenschutzrechtlicher Sicht vorzuziehende Zustimmung (Opt‐in) verzichtet wird, zum Beispiel indem zumindest ein niederschwelliges Widerspruchsrecht (Opt‐out) vorgesehen wird“, so die DSK. „Zur Verwaltung von Widerspruch oder Zustimmung zu bestimmten Datenverarbeitungen oder Zwecken sollten digitale Managementsysteme verwendet werden.“
Neben einer „effektiven Kontrolle“ der Patienten über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verlangen die Datenschützer präzise und leicht verständliche Informationen über sämtliche Übermittlungswege und Verarbeitungsprozesse der Gesundheitsdaten. Die DSK vermisst zudem eindeutige rechtliche Regelungen dazu, ob und in welchem Umfang das Verarbeiten personenbezogener Daten stattfindet und zulässig ist. Als unzulässig stuft die DSK das Vorhaben der EU-Kommission ein, die Klardaten zentral an einer Zugangsstelle zusammenzuführen. Um den Missbrauch der Daten zu verhindern, müssten diese vor der Zusammenführung pseudonymisiert oder anonymisiert werden.
Rat und Parlament stimmen Einrichtung einer EU-Drogenagentur zu
25.04.23 (ams). Die bisherige Europäische Beobachtungstelle für Drogen und Drogensucht soll in eine eigenständige Agentur umgewandelt werden, um die Mitgliedstaaten stärker als bisher im Kampf gegen illegale Drogen unterstützen zu können. Das Europaparlament und der Europäische Rat haben Ende März einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt. Die EU-Beobachtungsstelle wurde 1993 in Portugals Hauptstadt Lissabon eingerichtet. Sie sollte der EU und den Mitgliedstaaten sachliche, objektive, zuverlässige und vergleichbare Informationen über Drogen, die Drogensuchtproblematik und ihre Folgen liefern. Von der Aufwertung zur Agentur versprechen sich Kommission, Rat und Parlament eine bessere Beobachtung, Analyse und Bewertung der Gefahrensituation. Die Drogenagentur soll unter anderem auch ein Netz kriminaltechnischer und toxikologischer Labore zur Unterstützung der nationalen Einrichtungen aufbauen. Auch in den Bereichen Forschung und Prävention soll sie die EU-Zusammenarbeit stärker koordinieren.
Mehr als 2.000 Kranke aus der Ukraine in EU-Ländern versorgt
25.04.23 (ams). Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 sind bereits mehr als 2.000 kranke Menschen aus dem Land in Krankenhäusern der EU-Staaten behandelt worden. Nach Angaben der EU-Kommission wurden unter dem Dach des EU-Katastrophenschutzverfahrens die Patienten in 19 Länder der Gemeinschaft sowie Norwegen verlegt. Als Transferzentrum zur Evakuierung chronisch Kranker und Kriegsverletzter auf dem Landweg dient das Medizinzentrum der EU im polnischen Rzeszów. Dort werden Patienten vor der Verlegung in ein europäisches Krankenhaus medizinisch und pflegerisch versorgt.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides dankte den beteiligten Ländern für die „echte Solidarität und Großzügigkeit“. Die Angriffe der russischen Armee hätten dem ukrainischen Gesundheitssystem enorme Schäden zugefügt. Die medizinische Hilfe und die Verlegung von Patienten werde fortgesetzt, solange es nötig sei.