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„Im Grunde brauchen wir einen Neustart“

ams-Interview zum Implantateregister mit Dr. Jürgen Malzahn, Leiter der Abteilung Stationäre Versorgung im AOK-Bundesverband

Malzahn, Jürgen

10.08.23 (ams). Das Bundesgesundheitsministerium hat den Entwurf einer Gebührenordnung für das geplante Implantateregister vorgelegt. Dr. Jürgen Malzahn, Leiter der Abteilung Stationäre Versorgung im AOK-Bundesverband, kritisiert den bürokratischen Aufwand, der durch diese Gebührenordnung droht. Das eigentliche Problem seien aber grundsätzliche Mängel im 2019 verabschiedeten Gesetz zur Errichtung des Implantateregisters Deutschland, sagt er im Gepräch mit dem AOK-Medienservice (ams).

Herr Dr. Malzahn, der AOK-Bundesverband übt in seiner Stellungnahme deutliche Kritik am aktuell vorgelegten Entwurf für eine Gebührenordnung zum geplanten bundesweiten Implantateregister. Wo sehen Sie die Probleme?

Mahlzahn: Das Hauptproblem ist, dass die Umsetzung dieser Gebührenordnung zu einen riesigen Bürokratieaufwand führen wird. Es sind eine ganze Reihe von komplizierten und aus unserer Sicht unnötigen Verwaltungsakten zur Abrechnung der entstehenden Kosten vorgesehen, die die Akzeptanz des Implantateregisters bei den Beteiligten nicht gerade fördern werden – im Gegenteil, durch diesen Bürokratie-Wust erweist man der guten Sache einen Bärendienst. In unserer Stellungnahme machen wir konkrete Vorschläge, wie man die Prozesse aufwandsärmer organisieren könnte. Denn wenn wir das Ziel der Entbürokratisierung im Gesundheitswesen ernst nehmen, dürfen wir auch keine neue, vermeidbare Bürokratie schaffen.

Grundsätzlich sehen wir es kritisch, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für das Implantateregister tragen sollen. Sie sollten eigentlich aus Steuermitteln finanziert werden, weil alle Bürgerinnen und Bürger von den Vorteilen eines Implantateregisters profitieren werden.

Der Gesetzgeber setzt mit der aktuell vorgelegten Gebührenordnung ja Verfahrens-Vorgaben aus dem Gesetz zur Errichtung des Implantateregisters um. Ist das nicht einfach nur ein notwendiger nächster Schritt im Prozess?

Mahlzahn: Formal gesehen ist das richtig. Die Gebührenordnung ist ein weiteres Detail in der Umsetzung der Verfahrenswege, die 2019 im Implantateregister-Gesetz festgelegt worden sind. Mit jedem Schritt der Umsetzung wird aber deutlicher, was wir schon vor vier Jahren kritisiert haben: Das ganze Gesetz hat grundsätzliche Konstruktionsfehler und Mängel. Vor allem der Datenfluss an das Implantateregister müsste aus unserer Sicht ganz anders gestalten werden. Es wäre beispielsweise wichtig, dass die Produkt-Identifikationsnummer eines Implantates von den Leistungserbringern direkt an die Krankenkassen übermittelt wird. Die Kassen könnten auf dieser Basis dann einen Gesamt-Datensatz inklusive Informationen zu Vorerkrankungen und Vorab-OPs der Patientinnen und Patienten an das Implantateregister schicken. Die stärkere Berücksichtigung der Abrechnungsdaten der Kassen würde die Krankenhäuser entlasten und wertvolle Zusatzinformationen liefern. Das würde die Validität und Qualität der Daten im Vergleich zum jetzt vorgesehenen Verfahren deutlich verbessern.

Die aktuell vorgelegte Gebührenordnung zeigt, dass wir bei diesem Thema im Grund einen Neustart bräuchten. Wenn die unsinnigen Vorgaben des Implantateregister-Gesetzes einfach weiter umgesetzt werden, haben wir am Ende unglaublich bürokratische Prozesse, die zu qualitativ fragwürdigen Ergebnissen führen.

In ihrer Stellungnahme fordert die AOK auch, dass die Daten aus dem freiwilligen Endoprothesenregisters Deutschland in das Implantateregister einfließen sollen. Wie ist der Stand bei diesem Thema?

Mahlzahn: Das Endoprothesenregister Deutschland sammelt seit zehn Jahren erfolgreich Daten zu Implantaten und bereitet die Ergebnisse nutzbringend auf. Die AOK war hier von Anfang an als Partner beteiligt und hat sich für dieses erfolgreiche Projekt engagiert. Bisher gibt es aber noch keine Lösung für die Berücksichtigung der bereits vorliegenden EPRD-Daten im verpflichtenden Implantateregister. Aus unserer Sicht wäre fahrlässig, auf diesen Datenschatz zu verzichten. Das würde auf Kosten der Patientensicherheit gehen und zu immensen Informationsverlusten bei Implantate-Herstellern und Krankenkassen sowie in der Forschung führen. Das kann eigentlich keiner wollen, daher bin ich optimistisch, dass es hier eine Lösung geben wird.

Am besten wäre es, wenn der Gesetzgeber die Aufgaben des gesetzlichen Implantateregisters zumindest für einen Übergangs-Zeitraum von beispielsweise fünf Jahren auf das EPRD übertragen würde. Diese Form der Beleihung, also der Übertragung hoheitlicher Aufgaben, ist keineswegs unüblich. So wird beispielsweise die Sicherheitsüberprüfung der Kraftfahrzeuge in Deutschland nicht vom Bundesverkehrsministerium durchgeführt, sondern man hat den TÜV damit beauftragt.


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