Diabetes in der Schwangerschaft rechtzeitig erkennen und behandeln
ams-Serie "Frauengesundheit" (8)
26.08.15 (ams). Während der Schwangerschaft taucht ein Diabetes auf - nach der Geburt verschwindet er wieder. Das passiert laut Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) etwa zwei bis fünf Prozent aller Schwangeren. Damit gehört ein Schwangerschaftsdiabetes zu den häufigsten Komplikationen während der Schwangerschaft. Was bedeutet das für Mutter und Kind? Wie kann man einen Schwangerschaftsdiabetes erkennen und behandeln? Das erläutert Thomas Ebel, Arzt beim AOK-Bundesverband.
Von einem Schwangerschaftsdiabetes, auch Gestationsdiabetes genannt (Gestation = Schwangerschaft), merken die Frauen meistens nichts. "Weil aber die erhöhten Blutzuckerwerte dem Ungeborenen und der Mutter schaden können, haben alle schwangeren Frauen Anspruch auf einen Test, der eine sichere Diagnose liefert", betont Ebel. Die AOK bezahlt diesen Test für ihre Versicherten. Ein erkannter und behandelter Gestationsdiabetes kann Komplikationen vorbeugen, wie Studien zeigen. Denn zu viel Zucker im Blut der Mutter bedeutet auch zu viel Zucker im Kreislauf des Ungeborenen. Die Folge: Die Kinder werden größer und schwerer, sodass sich die Geburt möglicherweise nach dem Austritt des Kopfes verzögert. Denn manche Kinder bleiben mit der Schulter hängen ("Schulterdystokie").
Weitere Informationen
- Im Versichertenportal der AOK
- Beim Gemeinsamen Bundesausschuss
- Auf den Seiten der Deutschen Diabetes Gesellschaft
- Auf den Seiten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
"Hebammen und Ärzte müssen dann sofort reagieren, denn es handelt sich um einen geburtshilflichen Notfall, bei dem es auch zum Sauerstoffmangel beim Kind kommen kann", so Ebel. Durch die hohen Blutzuckerwerte steigt auch das Risiko für Fehl- und Frühgeburten und damit für Kaiserschnitte. "Zudem besteht die Gefahr, dass das Neugeborene direkt nach der Geburt unterzuckert ist", so Ebel. Die betroffenen Schwangeren neigen dazu, zusätzlich zu den erhöhten Blutzuckerwerten auch einen Bluthochdruck zu entwickeln. Mit einem Blutzuckerbelastungstest (Glukosetoleranztest) kann die Gefahr erkannt werden. "Dieser Zuckertest misst, wie der Körper auf eine größere Menge Traubenzucker reagiert", erklärt AOK-Arzt Ebel.
Der Test wird im sechsten oder siebten Schwangerschaftsmonat angeboten. Genau genommen handelt es sich bei dem Glukosetoleranztest um zwei Tests: In einem Vortest, für den die Schwangere nicht nüchtern sein muss, trinkt sie eine konzentrierte Zuckerlösung, nach einer Stunde wird Blut aus einer Armvene entnommen, um die Höhe des Blutzuckers zu bestimmen. Ist der Wert erhöht, also mehr als 7,5 mmol/l (Millimol pro Liter; das entspricht 135 mg/dl), folgt ein aufwändigerer Diagnosetest. Wenn beim Diagnosetest einer der drei Normwerte erreicht oder überschritten ist, wird die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes gestellt.
- Nüchtern: 5,1 mmol/l (92 mg/dl)
- Nach einer Stunde: 10,0 mmol/l (180 mg/dl)
- Nach zwei Stunden: 8,5 mmol/l (153 mg/dl)
Doch die Diagnose bedeutet nicht, dass die Betroffenen dauerhaft zuckerkrank sind. In den meisten Fällen normalisieren sich die Werte wieder nach der Geburt. "Die betroffenen Frauen haben allerdings ein höheres Risiko, später im Leben einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln, sodass sie ihre Blutzuckerwerte regelmäßig kontrollieren lassen sollten", hebt Ebel hervor.
Hormonumstellung ist die Ursache
Warum bei manchen Frauen die Blutzuckerwerte während der Schwangerschaft entgleisen, ist nicht geklärt. Eine Ursache ist die Hormonumstellung: Die Schwangerschaftshormone schwächen die Wirkung des Insulins, sodass der Zucker im Blut nicht in die Zellen gelangen kann. "Erhöhte Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft treten besonders häufig bei Frauen mit einer genetischen Prädisposition auf, die übergewichtig sind, Verwandte mit Diabetes haben oder bereits schon einmal Schwangerschaftsdiabetes hatten", so Ebel. In diesen Fällen ist eine Blutzuckeruntersuchung schon zu Beginn der Schwangerschaft ratsam.
Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes sollten von einem diabetologisch geschulten Arzt betreut werden. Dort lernen sie, den Blutzucker regelmäßig zu messen. Sie erfahren, was sie selbst tun können und ob sie Insulin spritzen müssen. "Die meisten Frauen bekommen die erhöhten Blutzuckerwerte durch eine Umstellung der Ernährung und durch regelmäßige Bewegung in den Griff", sagt Ebel. Dabei ist Folgendes zu beachten:
- "Verzichten Sie möglichst auf zuckerhaltige Lebensmittel und Getränke", rät Ebel. "Denn Zucker - das sind einfache Kohlenhydrate, die den Blutzuckerspiegel nach oben schnellen lassen." Komplexe Kohlenhydrate - vor allem in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Kartoffeln - sind dagegen besser, weil sie nur nach und nach ins Blut übergehen. Greifen Sie zu viel Gemüse und fettarmen Nahrungsmitteln, sodass eine ballaststoffreiche und gesunde Kost garantiert ist.
- Statt drei Hauptmahlzeiten nehmen Sie besser fünf oder sechs kleinere Mahlzeiten über den Tag verteilt zu sich. Auch dadurch steigt der Blutzuckerspiegel nach dem Essen nicht so stark an.
- Bewegen Sie sich regelmäßig. Geeignet sind zum Beispiel Ausdauersportarten, Schwangerschaftsgymnastik oder zügige Spaziergänge.
AOK-Arzt Ebel: "Mit diesen Maßnahmen erleben die allermeisten betroffenen Frauen eine normale Schwangerschaft und bringen ein gesundes Kind zur Welt."