Wenn Menschen durch unwillkürliche Bewegungen und Laute auffallen

Tourette-Syndrom

24.05.16 (ams). Blinzeln, Grimassen ziehen, mit dem Kopf rucken, häufiges Räuspern, Husten oder Quieken - hinter unwillkürlichen Muskelzuckungen und Äußerungen kann das sogenannte Tourette-Syndrom stecken. "Bei leichter Ausprägung der Erkrankung kommen viele Betroffene im Alltag ohne Therapie gut zurecht", sagt Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im AOK-Bundesverband.

Das Tourette-Syndrom ist eine neuropsychiatrische Erkrankung, die durch mehrere sogenannte motorische und vokale Tics gekennzeichnet ist, also unwillkürliche Muskelzuckungen und Lautäußerungen. Der Begriff "Tic" stammt aus dem Französischen und steht für spezielle neurologische Symptome. Er hat mit dem umgangssprachlichen Wort "Tick" nichts zu tun.

Einzelne und harmlose Tics treten häufig erstmals im Alter zwischen sechs und acht Jahren auf. Am stärksten sind sie meist bei Zehn- bis Zwölfjährigen ausgeprägt und verschwinden dann wieder. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie schätzt, dass zehn bis 15 Prozent aller Kinder im Grundschulalter Tics entwickeln.

Das Tourette-Syndrom ist hingegen selten. Davon sind Schätzungen zufolge ein Prozent der Kinder betroffen; Jungen häufiger als Mädchen. Doch auch Erwachsene leiden unter der Erkrankung.

Vom Tourette-Syndrom spricht man, wenn

  • mehrere motorische und mindestens ein vokaler Tic auftreten,
  • die Symptome vor dem 18. Lebensjahr beginnen und mehr als ein Jahr zu beobachten sind,
  • sich die Tics im Krankheitsverlauf verändern, etwa hinsichtlich ihrer Art, Häufigkeit und Ausprägung,
  • andere Erkrankungen ausgeschlossen sind.

Sendefähige Radio-O-Töne mit Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im AOK-Bundesverband

Was ist das Tourette-Syndrom?

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Symptome der Erkrankung

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Mögliche Behandlungswege

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Einfache und komplexe Tics

Mediziner unterscheiden zwischen einfachen und komplexen Tics. Einfache motorische Tics sind zum Beispiel Blinzeln oder das Hochziehen der Schultern. Komplexe Tics äußern sich etwa dadurch, dass Betroffene hüpfen, springen, in die Hocke gehen oder Bewegungen anderer Menschen nachahmen. Bei komplexen vokalen Tics wiederholen sie Wörter oder Satzteile, fluchen oder sagen obszöne Dinge. Das Besondere der Erkrankung ist, dass betroffene Kinder und Erwachsene mit den unwillkürlichen Bewegungen und Äußerungen nicht aufhören können. Sie können sie zwar eine Zeitlang unterdrücken, aber danach „entladen“ sie sich oft noch stärker. Viele Betroffene spüren es, wenn ein Tic bevorsteht.

Oft nehmen die Tics bei Stress zu. Viele Patienten leiden zusätzlich unter weiteren Problemen und Erkrankungen. Dazu gehören die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Zwangsstörungen und Depressionen. Die Ursache der Erkrankung ist unklar. Experten vermuten, dass bei einem Teil der Patienten eine erbliche Veranlagung eine Rolle spielt. Als sicher gilt, dass es sich nicht um eine psychische Erkrankung handelt.

Frühzeitige Diagnose ist hilfreich

Beim Verdacht auf das Tourette-Syndrom sollten Eltern mit ihrem Kind einen Kinderarzt aufsuchen. Eine frühzeitige Diagnose und ein ausführliches Beratungsgespräch entlasten betroffene Kinder und ihre Familien oft deutlich, da es dadurch eine Erklärung für das auffällige Verhalten gibt. In der Folge werden Vorwürfe, Kinder oder Jugendliche störten absichtlich, überflüssig. Dies mindert den Leidensdruck der Betroffenen. Denn viele Kinder mit Tourette-Syndrom werden wegen ihres Verhaltens ausgelacht oder ausgegrenzt.

Die Erkrankung ist nicht heilbar. Allerdings nehmen die Tics im Verlauf der Erkrankung in der Regel an Intensität ab. Die meisten Patienten können lernen, mit ihrer Erkrankung im Alltag zurechtzukommen, und brauchen keine Behandlung. Bei stark ausgeprägten Symptomen und einem hohen Leidensdruck kann die Einnahme von Medikamenten sinnvoll sein. Psychische Belastungen durch die Erkrankung lassen sich auch durch eine Verhaltenstherapie verringern. Hilfreich können zudem Entspannungstechniken sein.


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