Im Trend: Warum E-Zigaretten nicht harmlos sind

Rauchen

24.05.16 (ams). Gesünder rauchen mit E-Zigaretten? Schließlich enthalten die elektrischen Inhalationsprodukte weniger Schadstoffe als Tabakrauch, manchmal ist sogar gar kein Nikotin drin. "Trotzdem sind E-Zigaretten gesundheitlich bedenklich", betont Gabriele Bartsch, stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V. und ist damit auf einer Linie mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Elektronische oder elektrische Zigaretten, kurz E-Zigaretten, liegen im Trend. Immer mehr Raucher greifen dazu, wie aktuelle Zahlen des Jahrbuchs Sucht 2016 der DHS für Deutschland zeigen: Bei Rauchern ab 16 Jahren hat sich der Anteil derer, die schon mal E-Zigaretten ausprobiert haben, von 2012 bis 2014 verdreifacht und ist von rund sechs auf 19 Prozent gestiegen. Gerade Raucher setzen darauf, dass E-Zigaretten gesünder sind als konventionelle, oder erhoffen sich sogar, dass sie mit Hilfe der elektronischen Variante den Ausstieg schaffen. Und immerhin auch ein bis zwei Prozent der Nichtraucher haben schon einmal E-Zigaretten ausprobiert. Kein Wunder, dass immer mehr Spezialgeschäfte eröffnen, die ausschließlich elektronische Zigaretten verkaufen. Haben E-Zigaretten gesundheitliche Vorteile oder schaden sie mehr, als dass sie nutzen - darüber sind sich Wissenschaftler uneins. "Tatsächlich fällt bei E-Zigaretten das Verbrennungsprodukt Teer weg, das Krebs oder eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung auslösen kann", sagt Bartsch. "Doch auf der anderen Seite inhalieren die Nutzer von E-Zigaretten ein Chemiegemisch, von dem man noch nicht weiß, wie schädlich es für die Gesundheit ist."

Es wird gedampft

In E-Zigaretten wird kein Tabak verbrannt, sondern eine Flüssigkeit erhitzt und der dabei entstehende Dampf eingeatmet. Die Nutzer rauchen also streng genommen nicht, sie "dampfen", wie sie es nennen. Hauptbestandteile der Liquids - also der Flüssigkeit - sind Propylenglykol, Aromastoffe und meistens Nikotin in unterschiedlichen Konzentrationen. "Es ist bekannt, dass Propylenglykol, das in Verneblungsanlagen auf der Bühne genutzt wird, die Atemwege reizt", warnt Bartsch. Einige der Aromastoffe können allergische Reaktionen auslösen und einige Liquids enthalten sogar krebserregende Substanzen. Auch Nikotin steht im Verdacht, Krebs zu erzeugen, fördert zumindest das Wachstum bestehender Tumore und ist der Stoff, der körperlich abhängig macht. Eine E-Zigarette ist also höchstens im Vergleich zur herkömmlichen wenig giftig. "Das heißt, nur starke Raucher könnten möglicherweise profitieren, sofern sie vollständig auf E-Zigaretten umsteigen - was die wenigsten tun", resümiert Bartsch. "Für Nichtraucher dagegen bedeuten E-Zigaretten ein Gesundheitsrisiko."

Kritiker befürchten zudem eine "Renormalisierung des Rauchens", was die Erfolge der Tabakprävention zunichte machen würde: Schließlich ist der Anteil der Raucherinnen und Raucher seit Jahren rückläufig, vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Doch bei den jungen Leuten sind mittlerweile besonders die E-Shishas beliebt. Sie funktionieren wie E-Zigaretten, nur dass das Mundstück einer Wasserpfeife nachgeahmt ist. "Die elektronischen Inhalationsgeräte haben ein so cooles Image, dass auch Jugendliche, die Nein zum Tabak sagen, eine E-Zigarette oder E-Shisha ausprobieren", berichtet Bartsch. Zumal gerade E-Shishas harmlos daherkommen: Sie sind meistens nikotinfrei, bunt bemalt und locken mit süßen oder fruchtigen Aromamischungen. "Es besteht die Gefahr, dass Jugendliche und sogar Kinder über den Weg der E-Zigaretten und E-Shishas zum Tabakrauchen verführt werden", warnt jedoch Suchtexpertin Bartsch. In Befragungen gaben die meisten Nutzer von E-Zigaretten an, sie zur Entwöhnung vom Tabakrauch einzusetzen. Und tatsächlich gibt es wissenschaftliche Hinweise, dass E-Zigaretten den sogenannten Suchtdruck reduzieren können, doch insgesamt ist die Datenlage noch widersprüchlich. "Als Hilfsmittel für einen Rauchstopp sind die elektronischen Zigaretten wenig geeignet, weil sie das orale Ritual - also das Ziehen an einer Zigarette - aufrechterhalten und damit das Suchtgedächtnis aktivieren", betont Gabriele Bartsch. Suchtexperten gehen davon aus, dass ein Rauchstopp im Kern eine Verhaltensänderung bedeutet und die Raucherinnen und Raucher sich von eingeübten Rauchmustern verabschieden müssen. "Doch dafür muss man sich entscheiden, gar nicht mehr zu einer Zigarette zu greifen - sei es eine konventionelle oder eine elektrische", so Bartsch. Beim Schritt in ein rauchfreies Leben können Programme helfen, wie sie die AOK mit "Ich werde Nichtraucher" anbietet. Bartsch: "Sehr starke Raucher, denen es schwerfällt aufzuhören, sollten als zusätzliches Hilfsmittel lieber anerkannte Nikotinersatzpräparaten nutzen als E- Zigaretten."

Neues Tabakgesetz

Arzneimittel, Medizinprodukt, Genussmittel oder Tabakprodukt? Bisher war nicht klar, wie E-Zigaretten einzuordnen sind. Das neue Tabakerzeugnisgesetz, das eine EU-Richtlinie in deutsches Recht umsetzt und im Mai 2016 in Kraft getreten ist, schafft Klarheit: Nikotinhaltige E-Zigaretten werden erstmals als Tabakerzeugnisse eingestuft. Damit bekommen die Kritiker der elektrischen Inhalationsgeräte Rückenwind: Denn das bedeutet zum Beispiel, dass die Produkte nicht mehr an Minderjährige verkauft werden dürfen, dass bestimmte Zusatzstoffe verboten sind und Werbebeschränkungen sowie Anforderungen an die Produktsicherheit gelten werden. Und Nichtraucherzonen bleiben frei von E-Zigaretten, um die Nichtraucher vor möglichen Schäden durch das "Passivrauchen" zu schützen.


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