Jungen brauchen häufiger eine Sprachtherapie als Mädchen
Heilmittelbericht 2016

19.12.16 (ams). Vor allem mit Beginn der Schulpflicht gehen viele Kinder zu einem Logopäden: Das zeigt der Heilmittelbericht 2016 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Danach erhielt im Jahr 2015 jeder vierte sechsjährige Junge und etwa jedes sechste Mädchen eine Sprachtherapie. Um Probleme bei der Sprech- und Sprachentwicklung frühzeitig zu erkennen, bieten die gesetzlichen Krankenkassen die kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen U3 bis U9 an.
Sprachtherapien werden überwiegend ab einem Alter von vier Jahren verordnet. Im Jahr 2015 erhielt fast jeder zehnte vierjährige Junge (9,2 Prozent) eine Sprachtherapie. Bei den Mädchen waren es gerade einmal 5,6 Prozent. Laut Heilmittelbericht brauchen sechsjährige Kinder am häufigsten Unterstützung bei der Sprech- und Sprachentwicklung. Nach Schulbeginn nimmt der Anteil der Kinder, die zum Logopäden gehen, wieder ab. Für den Heilmittelbericht 2016 hat das WIdO die Heilmittelrezepte analysiert, die 2015 für die rund 71 Millionen gesetzlich Versicherten ausgestellt wurden.
Warum Kinder kurz vor oder nach der Einschulung besonders häufig sprachtherapeutische Unterstützung benötigen, darüber wird in der Fachwelt seit Jahren diskutiert. Eine Erklärung ist, dass sich die in diesem Alter angemessenen Fähigkeiten bei den Kindern verschlechtert haben. Gleichzeitig wandeln sich aber auch die Anforderungen von Schule und Elternhaus an die Kinder, ebenso verändern sich das ärztliche Diagnoseverhalten und Therapiemöglichkeiten.
"Auch wenn Sprachtherapien helfen können, Defizite der kindlichen Umwelt zu bewältigen, sollten Verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen in Kindergärten und Schulen sowie im Elternhaus in ihrer Wirkung nicht unterschätzt werden. Damit kann Entwicklungsstörungen schon in frühen Jahren vorgebeugt werden", sagt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.
Vorsorgeuntersuchungen sind hilfreich
Allerdings ist nicht jede Auffälligkeit gleich eine Störung. Sinnvoll ist, dass Eltern mit ihren Kindern die kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen. Bei den kostenfreien Terminen können Ärzte Probleme bei der Sprachentwicklung frühzeitig erkennen. Je früher eine Störung erkannt wird, desto erfolgreicher können Kinder in ihrer Sprachentwicklung unterstützt werden. Eltern können außerdem die sprachliche Entwicklung ihres Kindes fördern, indem sie ihm viel Gelegenheit geben, sich mitzuteilen und zu unterhalten, unabhängig davon, wie viel es schon spricht. Macht das Kind Fehler bei der Aussprache oder beim Satzbau, sollten Eltern das Gesagte in der richtigen Form wiederholen, aber nicht das Kind zum Nachsprechen auffordern. Wenn das Kind stottert, sollten sie dies nicht weiter beachten und kommentieren. Das gemeinsame Singen von Kinderliedern eignet sich ebenfalls, um spielerisch die Sprachentwicklung zu fördern.