Wenn die Schulter schmerzt, sind Operationen oft nutzlos
Besser auf Physiotherapie und Schmerzmedikation setzen
19.12.17 (ams). Es schmerzt, wenn der Arm über die Schulter gehoben wird, bei Drehbewegungen der Schulter oder wenn man auf der Seite liegt. Hinter Schulterschmerzen steckt häufig das Impingementsyndrom (impingement: englisch für Zusammenstoß). Dabei handelt es sich um eine Gelenkveränderung, die die Beweglichkeit der Schulter beeinträchtigt. Infolge entzündlicher Prozesse wird das Gelenk zunehmend eingeengt. Das wiederum führt dazu, dass die Sehnen der Muskeln, die die Schulter im Gelenk bewegen und halten, am Knochen reiben. Diese Reibung schmerzt. Half eine konservative Behandlung nicht weiter, wurde bisher bei einem minimalinvasiven Eingriff der Platz für die Sehnen erweitert, indem man Knochenmaterial oder Gewebe abgetragen hat. In einer britischen Studie hat sich jetzt gezeigt, dass diese Schulteroperationen jedoch keinen Nutzen haben. In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler, ob die übliche Operation zu einer stärkeren Schmerzminderung führt als ein Scheineingriff oder gar kein Eingriff. An der Studie nahmen 313 Patienten teil, die seit mindestens drei Monaten Schulterschmerzen hatten und bei denen bereits eine konservative Therapie einschließlich Krankengymnastik und mindestens einer Kortisonspritze ins Gelenk erfolgt war. In dieser Studie wurde durch Zufall bestimmt (randomisierte Studie), welcher Patient welche Therapie erhielt. Je rund 100 Patienten bekamen entweder die übliche Operation mit Abtrag von Knochenmaterial zur Erweiterung, einen Scheineingriff mit Gelenkspiegelung ohne Abtragung von Knochenmaterial oder gar keinen Eingriff. Das überraschende Ergebnis: Die Operation mit der Erweiterung war nicht erfolgreicher als der Scheineingriff. Sechs und zwölf Monate nach Studienstart fanden sich bei den Patienten aus den beiden operierten Gruppen geringfügig bessere Ergebnisse als bei den unbehandelten Probanden, bei denen die Schmerzen ebenfalls zurückgingen.
Sendefertiger Radio-O-Ton mit Dr. Gerhard Schillinger, Geschäftsführer des Stabs Medizin beim AOK-Bundesverband und Facharzt für Neurochirurgie
Der Unterschied war klinisch nicht relevant. "Es zeigt sich erneut, dass Operationen trotz eines logisch klingenden Konzepts keinen Nutzen für die betroffenen Patienten haben können und dass man die Wirksamkeit von Operationen daher in Studien überprüfen muss", sagt Dr. Gerhard Schillinger, Geschäftsführer des Stabs Medizin beim AOK-Bundesverband und Facharzt für Neurochirurgie. "Für Patienten mit Schulterschmerz bei Impingementsyndrom zeigt diese Studie, dass es sich lohnt, auch über eine längere Zeit die konservative Therapie fortzuführen." Zu diesen nicht operativen Behandlungen gehört neben schmerzstillenden Medikamenten vor allem Physiotherapie mit Muskelkräftigung. "Bevor operiert wird, ist es auf jeden Fall sinnvoll, eine zweite Meinung einzuholen", so Schillinger weiter. Die AOK unterstützt ihre Versicherten dabei, schnell eine zweite ärztliche Meinung eines Spezialisten zu bekommen.
Dass Operationen, an deren Nutzen man fest geglaubt hatte, nicht zur Besserung führen, gab es auch schon in mehreren anderen Fällen in der Vergangenheit. So hatte man bei Kniegelenksarthrose über viele Jahre in der Gelenkspiegelung (Arthroskopie) den Knorpel geglättet, Teile des Meniskus entfernt und das Gelenk gespült. Eine randomisierte Studie zeigte 2002, dass dieser Eingriff keinen medizinischen Nutzen hat, was in weiteren Studien bestätigt wurde. Aufgrund einer systematischen Bewertung aller verfügbaren hochwertigen Studien entschied der Gemeinsame Bundesausschuss aus Ärzten, Kliniken und Krankenkassen vor knapp zwei Jahren, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für diesen Eingriff bei Kniegelenksarthrose, der nur zur Spülung und zur Entfernung oder Glättung krankhaften oder störenden Gewebes durchgeführt wird, nicht mehr übernimmt.