Manche machen es einfach mit links

Händigkeit ist angeboren

24.04.18 (ams). Linkshänder haben es oftmals schwer. Ob Füller, Dosenöffner oder Gitarre: Die Geräte und Instrumente liegen nicht so richtig in der Hand. In der Regel ist das tägliche Leben, Lernen  und Arbeiten nämlich auf Rechtshänder ausgerichtet. Warum Umschulen aber keine Alternative ist und was Eltern beachten sollten, wenn das Kind es lieber mit links macht, erläutert  Dr. Dieter Bonitz, Diplom-Psychologe im AOK-Bun­desverband. "Nimm doch die rechte, die gute Hand!", hieß es oft in der Kindheit. Linkshändigkeit war lange Zeit verpönt, noch heute gilt es als "normal", Rechtshänder zu sein. Linkshänder sind tatsächlich in der Minderheit, Schätzungen zufolge macht ungefähr jeder zehnte Mensch alles mit links. Vielleicht sind es jedoch viel mehr, denn unter den Befragten befinden sich immer auch einige ursprünglich linkshändige Menschen, die als Kind umgeschult wurden.

"Die Händigkeit ist angeboren, dabei scheint die Genetik eine Rolle zu spielen", erklärt  Dr. Bonitz. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Linkshänder-Paar ein linkshändiges Kind bekommt, liegt bei 50 Prozent - während bei zwei Rechtshändern die Wahrscheinlichkeit auf zwei Prozent schrumpft. Schon im Mutterleib kann man übrigens oft die Händigkeit erkennen: Fast alle Ungeborenen, die am rechten Daumen nuckeln, entwickeln sich auch zu Rechtshändern und "Linksnuckler" meistens zu Linkshändern.


Sendefertige O-Töne mit Dr. Dieter Bonitz, Diplom-Psychologe im AOK-Bundesverband

Was beim Umschulen im Gehirn passiert

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Tipps für Eltern

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Redewendungen wie "jemanden links liegen lassen", "jemanden linken" oder "mit dem linken Fuß aufstehen" zeugen von dem schlechten Image, das der linken Seite anhaftet. So wurden denn Kinder früher häufig auf das "schöne Händchen" umgeschult. Auch heute noch ist das nicht ausgeschlossen. Linkshänder-Beraterinnen und -Berater gehen davon aus, dass ein Umlernen Folgen hat - selbst dann, wenn das linkshändige Kind sich an die Rechtshändigkeit seiner Umgebung von selber anpasst, was nicht selten geschieht. Die Expertinnen und Experten berichten von Gedächtnisstörungen, Konzentrationsproblemen, Lese- und Rechtschreibschwäche, feinmotorischen Störungen bis hin zu Minderwertigkeitskomplexen, Unsicherheit und Bettnässen. "Diese Probleme sind allerdings nicht immer auf eine Änderung der Händigkeit zurückzuführen", so AOK-Experte Bonitz. "Doch bereits bestehende Schwierigkeiten können durch eine Umschulung verstärkt werden."

Noch fehlt es an Studien, die die Folgen einer Umschulung unter die Lupe nehmen. Aus der Hirnforschung zumindest weiß man, dass das Gehirn dabei umlernen muss. Ausgangspunkt ist folgende Tatsache: Bei einem reinen Rechtshänder ist die linke Hirnhälfte dominant, bei einem Linkshänder die rechte. Eine Hirnhälfte ist also immer für die gegenüberliegende Körperseite verantwortlich, denn die Nervenbahnen laufen über Kreuz. Was passiert nun, wenn ein linkshändiges Kind den Stift immer in die rechte Hand nimmt? Vermutlich verlagert sich die Steuerung der Schreibbewegung von der rechten in die linke Hirnhälfte, wie es bei Rechtshändern auch der Fall ist. Planung und Koordination dagegen bleiben in der rechten Hirnhälfte wie bei nicht umgeschulten Linkshändern. Diese Hirnregionen waren dabei aber deutlich aktiver als bei reinen Linkshändern. Das Gehirn muss also mehr arbeiten. Ob das die Probleme zumindest teilweise erklären kann, ist aber nicht belegt. Sicher dagegen ist: "Es kann die Kinder belasten, wenn eine Umschulung unter einem gewissen Zwang geschieht", sagt Bonitz und rät dazu, dass das Kind seine Händigkeit möglichst frei entwickeln kann.

Tipps für Eltern

  • Eltern sollten das Kind beobachten und sich  auf seine Gewohnheiten einstellen.
  • Beim Essen: Bei Vermutung auf Linkshändigkeit den Löffel mittig oder gleich links hinlegen.  Auch das Trinkglas sollte dann auf der linken Seite stehen. Wie Kinder später Messer und Gabel benutzen, ist unterschiedlich. Manche Linkshänder schneiden lieber mit links, andere mit rechts.
  • Schreiben: Die richtige Stift- und Blatthaltung  ist wichtig, um die anstrengende „Hakenhaltung“  der Hand zu vermeiden.
  • Sitzplatz: Linkshänder sollten in der Schule links, Rechtshänder rechts sitzen; Lichteinfall am Schreibtisch zu Hause von rechts.

Wenn Eltern vermuten, dass das Kind Linkshänder ist, sollten sie zum Beispiel beim Essen den Löffel mittig platzieren, sodass sich das Kind, ohne beeinflusst zu werden, für die bevorzugte Hand entscheiden kann. Manchmal greift ein Kind ganz eindeutig mit links nach Löffel, Zahnbürste, Spielzeug oder Stift, manchmal ist es nicht so eindeutig. „Ob ein Kind Links- oder Rechtshänder ist, zeigt sich meistens bis zum vierten Lebensjahr, bis zum Schuleintritt sollte die Händigkeit geklärt sein“, so Psychologe Bonitz. Falls nicht, bieten Beratungsstellen eine Händigkeitsdiagnose an. Stellt sich eine Linkshändigkeit heraus, muss sich das Kind in einer Rechtshänder-Welt zurechtfinden: Schreibt es links mit einem Füller, verschmiert eventuell die Tinte. Bei der Schere in der linken Hand ist die Schnittkante nicht zu sehen. Und wie rum nun die Gitarre halten? Zahlreiche Läden und Onlineshops bieten inzwischen Produkte an, die auf Linkshänder zugeschnitten sind: Stifte und Schreibhilfen, Hefte, Lineale, Knete, Locher, Pinsel bis hin zu Tastaturen und Musikinstrumenten. Linkshändigkeit haftet inzwischen kein Stigma mehr an. Im Gegenteil: Zeugen nicht Berühmtheiten wie Michelangelo, Ludwig van Beethoven, Jimi Hendrix und Paul McCartney davon, dass Linkshänder besonders kreativ sind? Auch das ist nicht belegt. Gesichert ist dagegen, dass Linkshänder Vorteile im Zweikampf haben: So haben (rechtshändige) Gegnerinnen der einst weltbesten Tennisspielerin Martina Navratilova immer wieder davon berichtet, dass sie bei der Linkshänderin schwer einschätzen konnten, wohin sie den Ball schlägt.