Keine Angst vor Erster Hilfe: Nur wer nichts tut, macht was falsch

Notfälle

30.08.18 (ams). Viele Menschen haben Angst, in Notfällen etwas falsch zu machen. Doch der größte Fehler ist es, nicht zu helfen. Wie Laien Erste Hilfe leisten können, erläutert Thomas Ebel, Arzt im AOK-Bundesverband. Die Tipps ersetzen allerdings keinen Auffrischungskurs! Auf dem Boden liegt eine Person, womöglich bewusstlos. Wie gehe ich vor? Wie funktioniert noch mal die Wiederbelebung? Zwar haben die meisten Menschen irgendwann einmal einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert, doch das ist lange her. "Jeder sollte seine Erste-Hilfe-Kenntnisse regelmäßig auffrischen, um bei Unfällen und Herz-Kreislauf-Stillständen Leben retten zu können", sagt Ebel.

Um daran zu erinnern, wie wichtig es ist, in Notfällen richtig reagieren zu können, findet jedes Jahr am zweiten Samstag im September der Welt-Erste-Hilfe-Tag statt, dieses Jahr also am 8. September 2018. Der Veranstalter in Deutschland ist das Deutsche Rote Kreuz. Dort wird man nicht müde zu betonen, dass es nur einen Fehler bei der Ersten Hilfe gibt: nicht zu helfen. Allein schon deshalb, weil man sonst wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden kann.


Sendefertige Radio-O-Töne mit Thomas Ebel, Arzt im AOK-Bundesverband

Im Notfall helfen

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Erste Hilfe bei einem Unfall

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Auch wenn der Kurs schon viele Jahre her ist: "Was jeder tun kann, ist, umgehend die gebührenfreie und europaweite Notrufnummer 112 zu wählen. Damit erreicht man den Rettungsdienst und die Feuerwehr", so Ebel. Dort werden zuerst die wichtigsten Fragen geklärt. Wer ruft an? Was ist passiert und wo? Auch danach ist es sinnvoll, mit der Notrufzentrale in Verbindung zu bleiben. Die Mitarbeiter dort können die Ersthelfer bei einer eventuell notwendigen Wiederbelebung telefonisch anweisen und unterstützen.

Notfall: Herzinfarkt oder Schlaganfall?

Auch bei Verdacht auf Herzinfarkt oder Schlaganfall sollte sofort der Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 alarmiert werden. Besser einmal zu viel als einmal zu wenig.

Alarmzeichen Herzinfarkt:

  • Starke Schmerzen hinter dem Brustbein, die in Nacken, Hals, Kiefer, Arme oder Oberbauch ausstrahlen.
  • Heftiges Engegefühl, Druck oder Brennen im Brustkorb.
  • Plötzliche Luftnot, Übelkeit, Schwächegefühl.
  • Todesangst.

Alarmzeichen Schlaganfall:

  • Plötzliche Lähmung, Schwäche, Taubheit in einem Arm oder Bein oder Gesicht (herabhängender Mundwinkel).
  • Plötzliche Sprechstörungen (Wortfindungsstörungen, verwaschene Sprache).
  • Plötzlicher Schwindel.
  • Plötzliche Sehstörungen, Schluckstörungen, Gedächtnis- und Orientierungsstörungen.

Bis ein Rettungswagen kommt, gibt es einiges zu tun: Die Ersthelferin beziehungsweise der Ersthelfer sollte die Unfallstelle absichern, bei Autounfällen etwa ein Warndreieck aufstellen. Dabei unbedingt auf die eigene Sicherheit achten und zum Beispiel eine Warnweste anziehen, und gegebenenfalls das Opfer aus der Gefahrenzone bringen. Dann gilt es, sofort zu checken, ob eine hilfebedürftige Person, die regungslos daliegt, vielleicht einen Kreislaufstillstand erlitten hat. Atmet die Person normal, ist aber bewusstlos, legt man sie am besten in die stabile Seitenlage. Sind noch andere Menschen in der Nähe, sollte man sich die Aufgaben aufteilen. Während der eine Ersthelfer die Rettungsstelle anruft und für Sicherheit sorgt, kann die andere Person prüfen, ob eine Wiederbelebung notwendig ist. Dafür sind folgende zwei Schritte nötig:

  • Prüfen, ob die Person bewusstlos ist. Der Helfer stellt Fragen, zum Beispiel: "Hallo? Hören Sie mich?" Wenn keine Antwort kommt, vorsichtig an der Schulter des Opfers rütteln. Reagiert der Betroffene nicht, ist davon auszugehen, dass er bewusstlos ist.
  • Prüfen, ob die Person normal atmet: Die Person auf den Rücken drehen, Hand unters Kinn legen und Kopf in den Nacken neigen, damit die Atemwege frei sind. Atmung kontrollieren durch Sehen, Hören, Fühlen: Hebt und senkt sich der Brustkorb? Ohr über Mund und Nase des Betroffenen legen: Sind Atemgeräusche zu hören? Wange hinhalten: Ist ein Luftstrom zu spüren?

"Wichtig ist es, sich nicht länger als zehn Sekunden damit aufzuhalten und schnell zu entscheiden", betont Arzt Ebel. Bei dem geringsten Zweifel heißt es wiederbeleben. Auch wenn die Atmung auffallend langsam, extrem tief, unregelmäßig oder von schnarchähnlichen Geräuschen begleitet ist, sollte die Wiederbelebung, auch Reanimation genannt, sofort starten. Je früher sie beginnt, desto größer die Erfolgschancen. Denn schon nach wenigen Minuten sterben die ersten Hirnzellen ab, weil das Gehirn nicht genügend mit Sauerstoff versorgt wird. "Viele schrecken vor einer Reanimation zurück, weil sie zuerst an eine Mund-zu-Mund-Beatmung denken", so Ebel weiter. "Doch wenn man sich eine Atemspende nicht zutraut, reicht oft auch eine Herzdruckmassage." Und so funktioniert die Herzdruckmassage:

  • Neben den Verletzten knien, eine Hand auf die Mitte des Brustkorbs legen.
  • Die andere Hand darauflegen, Finger verschränken, Arme durchstrecken.
  • Oberkörper nach vorne verlagern (mit geradem Rücken, Arme dabei gestreckt lassen!) und versuchen, den Brustkorb einzudrücken, etwa fünf bis sechs Zentimeter. Zügig wiederholen, etwa zweimal pro Sekunde, pro Minute 100- bis 120-mal.

Da das körperlich ziemlich anstrengend ist, ist es ratsam, sich alle zwei Minuten abzuwechseln, wenn mehrere Ersthelfer vor Ort sind. Nur wenn jemand geübt ist und es sich zutraut, kann auf 30 Druckbewegungen eine zweimalige Atemspende folgen. Das Schema lautet also 30:2. Wichtig dabei: Die Herzmassage sollte man nicht länger als zehn Sekunden unterbrechen. Ist die Nase verletzt oder beim Einblasen nicht durchlässig, können Ersthelfer auf die Mund-zu-Mund-Beatmung übergehen. Und so funktioniert die Mund-zu-Mund-Beatmung:

  • Mit der einen Hand Kinn des Opfers umfassen und leicht nach oben ziehen, so dass der Nacken leicht überstreckt ist. Mit dem Daumen Mund offenhalten.
  • Die andere Hand auf die Stirn der Person legen, mit Zeigefinger und Daumen Nase zudrücken.
  • Normal einatmen, mit den Lippen Mund des Betroffenen umschließen und langsam ausatmen.
  • Prüfen, ob die Atmung effektiv ist: Hebt und senkt sich der Brustkorb? Danach unverzüglich wieder mit der Herzmassage beginnen.

An vielen öffentlichen Plätzen, Ämtern und Gebäuden sind mittlerweile sogenannte automatisierte externe Defibrillatoren angebracht, auch AED genannt: Automatic External Defibrillator. Ein "Defi" kann Leben retten, wenn ein Kammerflimmern oder eine andere lebensgefährliche Herzrhythmusstörung vorliegt. Wenn sich ein Gerät in der Nähe des Unfallortes befindet, sollte ein Ersthelfer es sofort holen und die beiden Elektroden, die am Kasten hängen, auf dem nackten Oberkörper des Bewusstlosen anbringen. Allerdings nur, wenn mehrere Ersthelfer vor Ort sind, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Ist das Opfer verkabelt, heißt es, den Anweisungen des Geräts zu folgen. Wenn der Defi ein Kammerflimmern feststellt, fordert er mittels eingebauter Sprachfunktion dazu auf, die Schocktaste zu drücken, damit ein elektrischer Stromstoß erfolgen kann. Ein solcher Elektroschock kann dem Herzen dazu verhelfen, wieder in einem geordneten Rhythmus zu schlagen. Wichtig dabei: den Patienten nicht berühren! Das alles kann man in einem Erste-Hilfe-Kurs üben: Neben dem Deutschen Roten Kreuz bieten auch andere Hilfsorganisationen, Kommunen, Volkshochschulen, Fahrschulen, aber auch Arbeitgeber Lehrgänge an. Doch auch ganz ohne Ausbildung kann jeder psychische Hilfe leisten. "Der Betroffene soll spüren, dass er nicht allein ist", betont AOK-Experte Ebel. "Beruhigen Sie die Person, indem Sie zum Beispiel zusichern, dazubleiben, bis der Krankenwagen kommt. Suchen Sie leichten Körperkontakt an Schulter oder Hand, schirmen Sie den Betroffenen vor Zuschauern ab."