Strategien gegen den Kopfschmerz
Genaue Diagnose für eine passende Behandlung
30.08.18 (ams). Fast jeder Mensch hatte schon einmal Kopfweh, vielleicht weil er zu wenig geschlafen oder zu viel Alkohol getrunken hat. Häufig ist das harmlos und verschwindet schnell wieder von allein. Die Europäische Kopfschmerzallianz möchte mit dem Europäischen Kopfschmerz- und Migränetag am 12. September auf die verschiedenen Ausprägungen und Behandlungsmöglichkeiten von Kopfschmerzen aufmerksam machen.
Wenn Kopfschmerzen immer wieder ohne konkrete Ursache auftreten, werden sie als primäre Kopfschmerzen bezeichnet und sind eigene Erkrankungen. Sie sind der häufigste Grund für Kopfschmerzen. Dazu gehören Spannungs- und Cluster-Kopfschmerzen sowie Migräne. Kopfschmerzen können jedoch auch eine Begleiterscheinung unterschiedlicher Krankheiten sein, etwa von Erkältung oder Bluthochdruck oder durch Verletzung des Kopfes sowie der Halswirbelsäule hervorgerufen werden. In solchen Fällen handelt es sich dann um sekundäre Kopfschmerzen.
Sendefertige Radio-O-Töne mit Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundesverband
Kopfweh fühlt sich nicht immer gleich an. Ein dumpfer Schmerz im ganzen Schädel, ein pulsierender Schmerz auf der linken Kopfseite oder ein stechender Schmerz um ein Auge herum, das tränt und sich rötet. Die internationale Kopfschmerzgesellschaft klassifiziert mehr als 240 Arten von Kopfschmerzen. "Die verschiedenen Formen unterscheiden sich darin, wo die Schmerzen genau auftreten, wie oft und wie lange sie andauern und welche Begleitsymptome, etwa Übelkeit oder Sehstörungen, dazukommen", berichtet Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundesverband. Eine genaue Diagnose ist wichtig, damit die passende Behandlung erfolgen kann. "Migräne, Spannungskopfschmerzen und die Cluster-Kopfschmerzen - alle drei Formen gelten als eigenständige Erkrankungen, sofern die Schmerzen immer wieder auftauchen und das Leben der Betroffenen einschränken", sagt Ärztin Debrodt.
Spannungskopfschmerzen
Spannungskopfschmerzen sind sehr häufig. Nach Angaben des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) haben mehr als 40 von 100 Menschen immer wieder Spannungskopfschmerzen. Dabei tritt der Schmerz auf beiden Seiten des Kopfes auf, die Intensität ist meistens leicht bis mäßig und verstärkt sich nicht durch körperliche Aktivität wie bei der Migräne. Um gelegentliche Spannungskopfschmerzen in den Griff zu bekommen, reichen frei verkäufliche Schmerzmittel, die immer nach Packungsanweisung eingenommen werden sollten. "Hilfreich ist es auch, sich kühlendes Pfefferminzöl auf Schläfen, Stirn und Nacken zu tupfen", sagt Ärztin Debrodt. Entspannungsübungen, Ausdauersport, genügend Pausen und ausreichend Schlaf - diese Veränderungen im Alltag können ebenfalls dazu beitragen, dass Spannungskopfschmerzen nicht so oft auftreten.
Migräne
Bei einer Migräne handelt es sich um schwere Kopfschmerzanfälle, die sich bis ins Unerträgliche steigern können. Etwa 14 Prozent der Frauen und sieben Prozent der Männer leiden unter wiederkehrenden Migräneanfällen. Bei den Kindern trifft es laut IQWiG vier bis fünf von 100 Kindern, Mädchen und Jungen dabei gleichermaßen.
Folgende Merkmale sind charakteristisch:
- Die Schmerzen treten nur auf einer Seite des Kopfes auf.
- Die in der Regel starken Schmerzen fühlen sich klopfend oder pulsierend an.
- Die Schmerzen verstärken sich bei Bewegung.
Häufig bleibt es nicht bei den heftigen, einseitigen Schmerzen. Hinzu kommt Übelkeit bis hin zum Erbrechen, Licht- und/oder Geräuschempfindlichkeit. Manche Patienten reagieren auch sehr empfindlich auf Gerüche. Besonders rätselhaft an der Erkrankung ist die sogenannte Aura, die sich bei einigen Migräne-Patienten vor einem Anfall bemerkbar macht: Das sind neurologische Symptome, in der Hauptsache Sehstörungen wie Flimmersehen oder Gesichtsfelddefekte, aber auch Gefühlsstörungen auf einer Körperseite oder Sprachstörungen. Die genauen Ursachen der Migräne sind nicht bekannt. Man nimmt an, dass es durch eine Erregung von Fasern des Nervensystems zu einer Erweiterung von Blutgefäßen kommt. Die Durchlässigkeit der Gefäßwände führt zur Freisetzung von Stoffen, die eine Entzündung des Trigeminusnerves verursachen. Dieser Nerv sendet Impulse an die Hirnrinde, die dann vom Patienten als Schmerz empfunden werden. Allein ein Wechsel zwischen An- und Entspannung, einmal später ins Bett gehen oder unregelmäßig essen, kann einen Anfall auslösen. Diese Auslöser gilt es zu vermeiden. Wenn die Migräne sehr schmerzhaft ist, nehmen die meisten Menschen Medikamente, um den Anfall durchzustehen. Bevor man sich jedoch selbst behandelt, sollte ärztlich abgeklärt sein, dass es sich bei den Kopfschmerz-Anfällen tatsächlich um eine Migräne handelt. Migränemittel sind beispielsweise für Menschen mit Bluthochdruck und koronarer Herzkrankheit nicht geeignet. Debrodt: "Schmerz- und Migränemedikamente sollten daher nicht häufiger als zehn Tage im Monat eingenommen werden. Neben der medikamentösen Behandlung haben Stressbewältigung, Entspannungsübungen und Ausdauertraining einen zentralen Stellenwert, um Stress im Alltag abzubauen."
Cluster-Kopfschmerzen
Cluster-Kopfschmerzen (engl. cluster = Gruppe, Häufung) kommen seltener vor als die anderen beiden Kopfschmerzarten, nämlich nur bei etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung. Männer sind dreimal häufiger betroffen als Frauen. Cluster-Kopfschmerzen sind in jedem Alter möglich, treten aber das erste Mal meist im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf. Als Auslöser gelten häufig Alkohol oder der Aufenthalt in größeren Höhen. Die stechenden, bohrenden Schmerzen von Cluster-Kopfschmerzen sind streng einseitig im Bereich der Augen, eventuell auch Stirn oder Schläfe. Die Attacken sind relativ kurz (15 Minuten bis unter drei Stunden), häufen sich aber zu bestimmten Zeitpunkten. Wie bei der Migräne können weitere Symptome auftreten: gerötete und tränende Augen, die Pupillen verengen sich, ein Augenlid hängt oder schwillt an, eventuell ist die Nase verstopft oder sie läuft. Nach ärztlicher Abklärung können die Anfälle mit einem Mittel aus der Gruppe der Triptane behandelt werden, was eigentlich ein Migränemittel ist. Die Patienten nehmen das Medikament allerdings nicht als Tablette ein, sondern spritzen es sich unter die Haut oder wenden es als Nasenspray an. Vielen Menschen hilft das Einatmen von Sauerstoff über eine Sauerstoffmaske.
Patienten sollten ein Schmerztagebuch führen
Vorrangiges Ziel von Therapien ist es jedoch, den Attacken vorzubeugen. Der behandelnde Arzt kann dazu Medikamente verschreiben, die teilweise auch zur Vorbeugung gegen Migräne eingesetzt werden. Um die Diagnose abzusichern und um möglichen Auslösern der Schmerzen auf die Spur zu kommen, sollten Patienten ein Schmerztagebuch führen. Wann hatten sie in welcher Situation welche Kopfschmerzen? Und wann hatten sie welche Medikamente eingenommen? So lässt sich auch herausfinden, ob sich durch zu häufigen Gebrauch von Schmerzmitteln womöglich ein sogenannter arzneimittelbedingter Kopfschmerz entwickelt hat. Das kann der Fall sein, wenn man regelmäßig an mehr als zehn Tagen im Monat und länger als an drei aufeinanderfolgenden Tagen Medikamente gegen Kopfschmerzen einnimmt, da sich vermutlich das Nervensystem an das Medikament gewöhnt, die Schmerzschwelle sinkt und das Gehirn überempfindlich wird. Solche Kopfschmerzen fühlen sich oft dumpf an, die Patienten haben das Gefühl, nie mehr einen klaren Kopf zu haben. Eine ärztlich begleitete Medikamentenpause - ambulant oder im Krankenhaus – ist in diesen Fällen angeraten, eventuell ergänzt durch psychologische Hilfe, durch die Patienten mit chronischen Kopfschmerzen lernen, individuelle Belastungsgrenzen zu erkennen, und sich mithilfe des Therapeuten konkrete Bewältigungsstrategien erarbeiten.