Vitamin D: Was bringt das Sonnenvitamin wirklich?
Nahrungsergänzungsmittel
20.12.18 (ams). Die Werbung für Vitamin D wirkt, die Vitamin-D-Tabletten bei den meisten Menschen eher nicht. Was ist dran am Vitamin-D-Hype? Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundesverband, führt die Fakten auf.
Gerade zum Winter hin wird Vitamin D wieder verstärkt als Alleskönner angepriesen. Das Marketing wirkt: Für rund 177 Millionen Euro verkauften allein die Apotheken im Jahr 2017 Vitamin-D-Präparate. Und Amazon bewirbt ein Vitamin-D-Mittel als Bestseller im Jahr 2018. Alljährlich stellen sich viele Menschen im Winter die Frage: Brauche ich mehr von dem "Sonnenvitamin" oder nicht? "Den meisten Menschen bringen Vitamin-D-Tabletten nichts", sagt Ärztin Debrodt. "Und die wenigsten leiden unter einem echten Vitamin-D-Mangel."
Im Rahmen einer AOK-Faktenbox ist die aktuelle Studienlage gesichtet worden mit dem Ergebnis, dass zusätzliches Vitamin D - über die normale Ernährung hinaus – weder Krebs noch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass Vitamin D unwichtig für den Körper ist. "Für den Knochenstoffwechsel spielt es eine Schlüsselrolle", so Debrodt. "Es unterstützt den Körper dabei, Kalzium aus Lebensmitteln aufzunehmen und härtet so Knochen und Zähne." Es ist zudem an weiteren Stoffwechselvorgängen beteiligt und beeinflusst die Muskelkraft positiv. Weitere Tatsache: Ein echter Mangel an Vitamin D hat gravierende Folgen. Es kann zu einer Knochenerweichung kommen, bei Säuglingen und Kleinkindern Rachitis genannt, bei Erwachsenen Osteomalazie. "Diese Erkrankungen können tatsächlich gut mit Vitamin-D-Tabletten behandelt werden", so Debrodt. Zudem gilt ein Vitamin-D-Mangel bei älteren Menschen als Risikofaktor für eine Osteoporose. Dabei nimmt die Knochendichte ab und es kommt zu häufigeren Knochenbrüchen.
Sendefertige Radio-O-Töne mit Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundesverband
Gravierender Mangel kommt selten vor
Laut einer Untersuchung des Robert-Koch-Instituts (RKI) erreichen zwar nur knapp 40 Prozent der Erwachsenen in Deutschland einen optimalen Vitamin-D-Wert. Doch ein gravierender Vitamin-D-Mangel kommt selten vor. Was also ist mit den Menschen, deren Werte zwar nicht extrem niedrig, aber auch nicht optimal sind? Sollten sie zusätzliches Vitamin D einnehmen? AOK-Expertin Debrodt: "Erst wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Zuerst sollte ein Bluttest beim Arzt einen zu niedrigen Vitamin-D-Spiegel bestätigt haben. Und dann sollten die Betroffenen zunächst versuchen, die Vitamin-D-Speicher auf natürliche Weise aufzufüllen." Den Hauptanteil bildet der Körper nämlich selbst mithilfe des UV-Lichts aus der Sonne. Deshalb lautet die allgemeine Empfehlung, zumindest von März bis Oktober zwei- bis dreimal pro Woche Gesicht, Hände und Arme kurzzeitig unbedeckt und ohne Sonnenschutz der Sonne auszusetzen (rechtzeitig Sonnenschutzmittel benutzen). Der Körper speichert das fettlösliche Vitamin im Fett- und Muskelgewebe sowie in der Leber und kann sich im Winter der Vorräte bedienen. Selbst im Winterhalbjahr bildet der Körper etwas Vitamin D, wenn man mit freiem Gesicht und ohne Handschuhe für 20 bis 30 Minuten draußen spazieren geht. Auch mit der Nahrung kann man etwas nachhelfen: Einige wenige Lebensmittel enthalten nennenswerte Mengen an Vitamin D. Abhängig von Alter, Lebensweise, Hauttyp und Hautdicke schafft es der Körper jedoch nicht bei allen Menschen, genügend Vitamin D zu bilden.
Für folgende Risikogruppen kann es deshalb sinnvoll sein, Tabletten zu nehmen:
- Ältere Menschen ab etwa 70 Jahren, denn mit dem Alter lässt die Eigenproduktion von Vitamin D nach. Zum Teil produziert die Haut dann nur noch halb so viel Vitamin D wie in früheren Lebensjahren.
- Pflegebedürftige Senioren, die nur noch selten das Haus verlassen oder die in einer Pflegeeinrichtung leben.
- Auch jüngere Menschen, die unter einer chronischen Magen-Darm-, Leber- oder Nierenerkrankung leiden oder Medikamente einnehmen, die den Vitamin-D-Stoffwechsel beeinträchtigen (zum Beispiel Medikamente gegen Epilepsie oder Krebs).
- Menschen mit einer dunkleren Hautfarbe; denn durch den erhöhten Melaningehalt der Haut werden die UVB-Strahlen der Sonne stärker abgehalten.
- Menschen, die sich kulturell oder religiös bedingt verschleiern.
- Säuglinge; denn der Vitamin-D-Gehalt in der Muttermilch ist gering und die Haut der Babys darf aufgrund noch nicht ausgebildeter Schutzmechanismen nicht der Sonne ausgesetzt werden. Deshalb bekommen sie im Rahmen der allgemeinen Vorsorge spezielle Vitamin-D-Präparate vom Kinderarzt verschrieben.
Vitamin-D-Speicher auffüllen
- Jeden Tag rausgehen! Gesicht, Arme, Hände für ein paar Minuten ungeschützt der Sonne aussetzen. Achtung: im Sommer oder im Urlaub einen Sonnenbrand vermeiden, also rechtzeitig ein Sonnenschutzmittel benutzen. Doch auch im Schatten und bei bedecktem Himmel wird Vitamin D gebildet. Sogar im Winter. Dafür kurz die Handschuhe abstreifen.
- Vitamin-D-haltige Nahrungsmittel verzehren! Allen voran fetthaltige Seefische wie Hering, Lachs oder auch Sardinen. Achtung: Wildlachs enthält viermal so viel Vitamin D wie gezüchteter Lachs! Vitamin-D-Lieferanten sind zudem auch Steinpilze und Champignons, Kalbfleisch sowie Margarine und Ei. Spitzenreiter ist der recht penetrant schmeckende Lebertran, den deshalb früher so viele Kinder täglich schlucken mussten.
Auch für die Osteoporose gilt: Nur wer mit Sonnenlicht und Ernährung die nötige Vitamin-D-Dosis nicht erreicht, kann ein Vitamin-D-Präparat einnehmen, um einer Osteoporose vorzubeugen oder - in Kombination mit Kalzium - eine Osteoporosebehandlung zu unterstützen.
In jedem Fall sollte die Einnahme von Vitamin D immer mit dem Hausarzt abgesprochen werden. Denn zu viel Vitamin D kann auch schaden. Zu große Vitamin-D-Mengen erhöhen den Kalziumspiegel im Blut. Anfänglich kann das zu vermehrter Urinausscheidung, Durst und Übelkeit führen. Da sich Kalzium in den Nieren ablagert, droht langfristig eine Nierenverkalkung mit der Gefahr eines akuten oder chronischen Nierenversagens. Empfohlen wird eine tägliche Menge von 800 Internationalen Einheiten (I.E.). "Verschreibt ein Arzt kurzfristig höher dosiertes Vitamin D, sollten die Blutwerte überwacht werden", sagt Debrodt.
Weitere Informationen: