Erektile Dysfunktion: Die Last mit der Lust

ams-Serie "Männergesundheit" (3)

25.03.19 (ams). Wenn Mann nicht kann, ist das für viele Männer eine Katastrophe. Die Scham ist dann groß. Doch oft hilft es, mit dem Arzt und der Partnerin darüber zu reden. Wichtig ist, den Ursachen für Erektionsstörungen auf die Spur zu kommen, um sich für (oder gegen) eine Behandlung zu entscheiden. Medikamente, mechanische Hilfsmittel, operative Verfahren oder eine Psychotherapie gehören zu den therapeutischen Möglichkeiten. Viele Männer mit Erektionsstörungen fühlen sich als Versager. Die Potenz ist von zentraler Bedeutung für ihre Identität als Mann. Wenn die Erektion nicht mehr richtig funktioniert, leidet das Selbstwertgefühl. Das kann sich auch auf andere Bereiche negativ auswirken, zum Beispiel den Beruf. Doch jeder Mann kennt es, wenn es im Bett mal nicht klappt. „Körperliche und psychische Erschöpfung, Stress am Arbeitsplatz oder in der Familie sowie viele chronische Erkrankungen, aber auch akute Krankheiten wirken sich auf die Erektionsfähigkeit aus“, sagt Thomas Ebel, Arzt im AOK-Bundesverband. Wenn eine allgemeine stressbedingte Erschöpfung vorliegt und sich die Situation dann wieder entspannt hat, wird sich die Erektion zumeist wie gewohnt einstellen. "Von einer erektilen Dysfunktion spricht man, wenn über mindestens sechs Monate bei den meisten Versuchen, einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, trotz Erregung keine ausreichende Erektion entsteht oder aufrechterhalten werden kann", so Ebel. Mit dem Alter steigt das Risiko für eine "Impotenz", wie die erektile Dysfunktion oft abwertend genannt wird. Nach Angaben der deutschen Gesellschaft für Neurologie zeigt eine Untersuchung aus Deutschland aus dem Jahr 2000, dass bei Männern zwischen 30 und 40 Jahren nur 2,3 Prozent von einer erektilen Dysfunktion betroffen sind, bei den 60- bis 69-Jährigen sind es schon ein Drittel und bei Männern über 70 Jahren mehr als die Hälfte. "Zum einen erschlafft mit dem Alter die Muskulatur des Beckenbodens und die maximale Durchblutung des Penis verringert sich", erklärt Arzt Ebel. "Zum anderen leiden ältere Männer oft unter Krankheiten, die Blut- oder Nervenbahnen beschädigen können."

Was kann Mann selbst tun:

  • Gesund leben: Das heißt, nicht übermäßig Alkohol trinken, auf Nikotin verzichten. Mit gesunder Ernährung und viel Bewegung Blutdruck, Blutfette, Blutzucker und Gewicht im Normalbereich halten oder erhöhte Werte in den Griff bekommen.
  • Beckenboden trainieren: Ein Training des Beckenbodens kann helfen, das Sexualleben wieder in Schwung zu bringen.
  • Vorsicht beim Radfahren: Ein ungünstiger Sattel kann Nerven und Blutgefäße im Beckenraum zusammendrücken, sodass bei passionierten Radlern Erektionsstörungen auftreten können.
  • Mit der Partnerin oder dem Partner sprechen: Eine Erektionsstörung betrifft immer beide. Über einen ehrlichen Austausch lassen sich auch andere Spielarten der Sexualität entdecken.

Schätzungen zufolge ist ab dem 50. Lebensjahr eine Erektionsschwäche zu etwa 80 Prozent körperlich bedingt. So kann zum Beispiel ein Diabetes mellitus, also die Zuckerkrankheit, die Ursache für Potenzprobleme sein. Denn ein schlecht eingestellter Diabetes schädigt die kleinen und großen Blutgefäße sowie die Nerven, sodass der Penis womöglich nicht mehr richtig steif wird. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Bluthochdruck, eine Arterienverkalkung an den Herzkranzgefäßen (koronare Herzkrankheit) oder in den Beinen (periphere arterielle Verschlusskrankheit) können dazu führen, dass auch die Schwellkörper im Penis nicht mehr genügend mit Blut versorgt werden beziehungsweise dass das Blut wieder zu schnell aus den Schwellkörpern abfließt. Nervenerkrankungen wie ein Schlaganfall, Multiple Sklerose oder ein Bandscheibenvorfall sowie Entzündungen oder Operationen an der Prostata können ebenfalls für eine erektile Dysfunktion verantwortlich sein. "Erektionsstörungen können ein erstes Symptom dieser Erkrankungen sein, deshalb sollten Männer möglichst frühzeitig einen Arzt aufsuchen und die Ursache abklären", sagt Mediziner Ebel. Mit dem Arzt lässt sich auch besprechen, ob möglicherweise Medikamente die Potenzprobleme verursachen. Blutdrucksenkende Medikamente wie Betablocker oder ACE-Hemmer können diese Nebenwirkung haben. Oder Lipidsenker, die bei erhöhten Blutfetten eingesetzt werden. Auch Finasterid, das zur Behandlung einer vergrößerten Prostata verordnet wird, kann zu Potenzproblemen führen. "Allerdings ist manchmal schwer zu unterscheiden, ob die Medikamente oder die damit behandelte Krankheit die erektile Dysfunktion verursachen", gibt Ebel zu bedenken. Bei jüngeren Männern stecken oft psychische Probleme hinter den Erektionsstörungen, etwa Partnerschaftskonflikte oder erheblicher Stress. Es kann sich eine regelrechte "Versagensangst" aufbauen, die in einen Teufelskreis führt: Die Männer können sich beim Sex nicht entspannen, weil sie befürchten zu "versagen", was eine Erektion verhindern kann. Wenn eine erektile Dysfunktion sich sehr rasch entwickelt, belastende Lebenssituationen auszumachen sind, keine entsprechenden Krankheiten oder Risikofaktoren vorliegen und die Männer in bestimmten Situationen - etwa bei Selbstbefriedigung oder nachts - eine Erektion bekommen, spricht das für psychische Ursachen. Auch wenn Männer zu viel Alkohol trinken, kann das zu Erektionsstörungen führen. Psychische Erkrankungen, vor allem eine Depression, gehen oft mit Erektionsstörungen und fehlender sexueller Lust einher. Zusätzlich beeinflussen viele Antidepressiva die Sexualität negativ.

Offene Gespräche helfen

Als Erstes helfen in dieser Situation offene Gespräche - mit der Partnerin oder dem Partner, mit anderen Männern, mit dem Hausarzt oder Urologen. Es gilt, die oft große Scham zu überwinden. Der Arzt kann klären, ob Medikamente, mechanische Hilfsmittel oder eine Psychotherapie beziehungsweise eine psychologische Beratung in Frage kommen. "Ausschlaggebend ist es, überhaupt über die Erektionsstörungen zu sprechen, denn das Verheimlichen ist belastender als das Problem selbst", so Arzt Ebel. Medikamente, sogenannte PDE-5-Hemmer, sind die Therapie der ersten Wahl. Diese Mittel fördern die Durchblutung des Penis. Das bekannteste unter ihnen ist Viagra mit dem Wirkstoff Sildenafil. "Diese Medikamente steigern entgegen weit verbreiteter Annahmen aber nicht die Libido, also nicht die sexuelle Lust", stellt Ebel klar. "Die PDE-5-Hemmer wirken nur, wenn der Mann sexuell erregt ist." Bestimmte Krankheiten, wie schwere Lebererkrankungen, Herzleiden oder ein Schlaganfall in der Vergangenheit, sprechen gegen die Einnahme dieser Medikamente, die von einem Arzt verschrieben werden müssen. Viagra auf Kassenrezept gibt es üblicherweise jedoch nicht. Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung sind ab 2004 bestimmte Arzneimittel gegen die erektile Dysfunktion von der Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen ausgeschlossen. Präparate zu Spottpreisen im Internet zu bestellen, kann jedoch gefährlich werden. Stichproben haben wiederholt gezeigt, dass viele Mittel gefälscht sind und andere Inhaltsstoffe enthalten oder die Dosierung nicht stimmt.

SKAT und MUSE

Bevor es die PDF-5-Hemmer gab, war die Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT) die Behandlung der Wahl. Dabei spritzt sich der Mann mit einer dünnen Nadel ein Medikament in einen Schwellkörper des Penis. Bei der Methode MUSE (Medikamentöses Urethrales System zur Erektion) wird der Wirkstoff nicht gespritzt, sondern mit einem Applikator in die Harnröhre eingeführt. Das Medikament wird dann über die Wand der Harnröhre in den Schwellkörper aufgenommen. Vakuumpumpen dagegen greifen nicht in das Innere des Körpers ein. Dabei wird der Penis in einen Plexiglaszylinder eingeführt, aus dem die Luft elektrisch abgesaugt wird, sodass ein Vakuum entsteht. Dadurch strömt mehr Blut in den Penis und eine Erektion entsteht. Welche dieser mechanischen Hilfen geeignet ist, sollte mit dem Arzt besprochen werden. Patienten können mit ihrer gesetzlichen Krankenkasse klären, ob die Kosten dafür übernommen werden. Wenn weder Medikamente noch mechanische Hilfsmittel in Frage kommen oder erfolglos waren, eine Erektion für das Paar aber sehr wichtig ist, kann über ein Schwellkörperimplantat nachgedacht werden.

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