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Warum der Klimawandel für die Gesundheit bedeutsam ist

ams-Serie: "Klimawandel und Gesundheit" (1)

20.01.22 (ams). Die Klimakrise ist nicht nur ein ökologischer, sondern auch ein medizinischer Notfall: Es muss mit mehr Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, Infektionskrankheiten, Allergien und Hitzetoten gerechnnet werden. Einmal abgesehen von Naturkatastrophen, die unser Leben, unsere Existenzgrundlage und damit auch unsere seelische Gesundheit gefährden. Im Umkehrschluss heißt das: Alles, was gesund ist für die Erde, fördert auch die Gesundheit des Menschen.

Hitzewellen und Dürren, Starkregen und Überschwemmungen, Waldschäden und Ernteausfälle - der Klimawandel ist auch in unseren Breitengraden bereits deutlich spürbar. Zudem schwindet das Meereis in der Arktis, der Permafrostboden in der Tundra schmilzt, der Meeresspiegel steigt und der pH-Wert des Meerwassers sinkt, Pflanzen- und Tierarten sterben aus. "Doch der Klimawandel bedroht nicht nur die Ökosysteme, sondern wird auch Einfluss auf unsere Gesundheit haben", sagt Dr. Eike Eymers, Ärztin im AOK-Bundesverband. So trägt zum Beispiel die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Holz nicht nur maßgeblich zum Klimawandel bei, sondern belastet auch die Luft und damit unsere Gesundheit. "Zum Beispiel führen höhere Feinstaub- Konzentrationen in der Luft zu einem erhöhten Risiko für Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen", so Medizinerin Eymers weiter.

Hitzewellen belasten vor allem Älteren

Die Hitzewellen geben am deutlichsten eine Vorahnung, was der Klimawandel bedeutet: Sie treten seit Mitte des 20. Jahrhundert häufiger und länger auf, so das Climate Service Center Germany in der Broschüre "Gesundheit und Klimawandel".  Die Hitzeperioden in den Jahren 2003, 2015 oder 2018 haben gezeigt, dass Hitzschlag, Herzinfarkt, akutes Nierenfunktionsverschlechterung und Atemwegsprobleme Folgen von extremer Hitze sein können. Besonders gefährdet sind ältere Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen, aber auch Säuglinge, Kleinkinder und Schwangere. Gesundheitliche Risiken haben zudem Menschen mit anstrengenden körperlichen Tätigkeiten, die extremer Hitze ausgesetzt sind. Wie stark der Klimawandel die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt, zeigt auch der Versorgungs-Report "Klima und Gesundheit" des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Am Beispiel der zunehmenden Hitzeperioden hat das Klimaforschungsinstitut Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) untersucht, wie viele Krankenhauseinweisungen in den Jahren 2008 bis 2018 bei über 65-Jährigen auf die Hitze zurückzuführen waren. Jeder vierte AOK-Versicherte aus dieser Altersgruppe ist demnach überdurchschnittlich gefährdet, an heißen Tagen gesundheitliche Probleme zu bekommen und deshalb ins Krankenhaus zu müssen. An Hitzetagen mit über 30 Grad Celsius kam es hitzebedingt zu drei Prozent mehr Krankenhauseinweisungen. Wenn die Erderwärmung ungebremst voranschreitet, dann könnte sich bis zum Jahr 2100 die Zahl der hitzebedingten Klinikeinweisungen versechsfachen.

Ozon reizt Augen und Schleimhäute

Zudem fördert Hitze die Bildung von bodennahem Ozon. Das giftige Gas bildet sich bei hohen Temperaturen in Kombination mit Kohlenwasserstoffen, Kohlenstoffmonoxid und Stickoxiden, die meist aus dem Straßenverkehr stammen. Das Ozon in Bodennähe reizt Augen und Schleimhäute, kann Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verstärken. Gerade bei Arbeiten oder Sport im Freien besteht die Gefahr, dass das Reizgas tief in die Lunge eindringt.

Hochwasser zerstört nicht nur Häuser

Auch andere Wetterextreme schaden den Menschen: Wenn Stürme, Überschwemmungen und Sturzfluten Häuser, Straßen und Brücken zertrümmern, sind Menschenleben gefährdet. Zudem können sich mit dem Hochwasser Krankheitserreger, die Darmerkrankungen verursachen, ausbreiten. Im feuchten Mauerwerk können sich Schimmelpilze ausbilden, die wiederum die die Gesundheit von Allergikern und Asthmatiker beeinflussen. Solche Katastrophen können viele Menschen auch seelisch nur schwer verkraften. Posttraumatische Belastungsstörungen, Angstzustände, Schlafstörungen, Depressionen zum Beispiel können die Folge sein.

Die Pollensaison verlängert sich

Die Häufigkeit von Allergien wie Heuschnupfen und Asthma bronchiale hat seit den 1970er Jahren stark zugenommen - die Temperaturerhöhung hat ihren Anteil daran. "Haselnuss, Erle, Birke, und Gräser blühen früher und verlängern die Pollensaison", sagt Ärztin Eymers. "Kohlenstoffdioxyd wirkt wie ein biologischer Dünger und führt zu einer vermehrten Pollenproduktion." Auch die Verschiebung der Vegetationszone führt dazu, dass neue allergene Pflanzen, die ursprünglich in wärmeren Regionen beheimatet sind sich zunehmend auch in Deutschland ausbreiten. Dazu gehört das Beifußblättrige Traubenkraut, Ambrosia artemisiifolia, das in Südosteuropa weit verbreitet ist und stark allergieauslösend ist. Vermutlich führen auch Faktoren, wie Ozon, UV-Strahlung oder die erhöhte Kohlendioxid-Konzentrationen zu einer veränderte Allergenität von Pollen und tragen dazu bei, das Allergiker länger und stärker leiden.

Mücken und Zecken: Gefahr von Infektionen

Mit den steigenden Temperaturen können sich zudem Krankheitserreger ausbreiten, die zum Beispiel aus Afrika oder Asien stammen und inzwischen auch von heimischen Mücken übertragen werden. So sind im Sommer 2019 erstmals fünf Menschen an dem West-Nil-Fieber erkrankt, das vorwiegend in den Tropen und Subtropen auftritt. Im Sommer 2020 und 2021 wurden weitere Fälle vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin bestätigt. Das West-Nil-Fieber ist eine grippeähnliche Erkrankung, typische Symptome sind Fieber, Muskelschmerzen und angeschwollene Lymphknoten. Bei einem Drittel entwickelt sich ein Hautausschlag. Ungefährlich ist das West-Nil-Virus nicht: Bei einigen Patientinnen und Patienten kommt es zu Hirn- oder Hirnhautentzündung, bei vor allem älteren Patienten kann die Erkrankung tödlich sein. Neue Mückenarten, die sich in Deutschland ansiedeln, bringen weitere Infektionsgefahren, etwa die japanische Buschmücke und die Asiatische Tigermücke, die das Dengue-Fieber übertragen können. Auch andere, für den Menschen unangenehme Tierchen profitieren von der Wärme: Milde Winter begünstigen die Vermehrung von Zecken. Klimaschutz ist demnach Gesundheitsschutz. In der Wissenschaft wird dieser Zusammenhang inzwischen unter dem Begriff "Planetary Health" beforscht. "Nahezu jede Maßnahme, die den Klimawandel begrenzt, ist auch gut für die menschliche Gesundheit", heißt es in der Broschüre "Gesundheit und Klimawandel" des Climate Service Center Germany.
 

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